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Besuch in Waldsassen |
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Der Vormittag, an dem der Arbeitskreis
für Heimatforschung Marktleuthen zu seinem ersten Ausflug in
diesem Jahr aufbrach, zeigte sich zunächst noch wolkenverhangen
und regnerisch. Ziel war die Klosterstadt Waldsassen in der nahen
Oberpfalz. Herr Müller erwartete uns schon zur Führung,
als wir kurz vor 11.00 Uhr in der Stiftsbasilika ankamen. Wir nahmen
zunächst in den hinteren Bankreihen der Kirche Platz, wo uns
Herr Müller in die Geschichte des Klosters und seiner Kirche
einführte. Obwohl das um 1133 durch den Markgrafen Diepold
III. gegründete Zisterzienserkloster kaum hundert Jahre später
die Reichsunmittelbarkeit erlangen konnte, kam es im Spätmittelalter
unter pfälzische Herrschaft, nachdem der Konvent 1465 den Pfalzgrafen
Otto II. von Neumarkt zum Klostervogt gewählt hatte. 1571 wurde
das Kloster vom kalvinischen Kurfürsten Friedrich III. von
der Pfalz aufgehoben. Erst neun Jahrzehnte später, im Jahr
1661, kehrte wieder monastisches Leben in die halb verfallenen Klostermauern
ein; durch aus Fürstenfeld berufene Zisterziensermönche
wurde Waldsassen erneut besiedelt.
Dem nach den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges neu
erstarkten Selbstbewustsein der katholischen Kirche und der erblühenden
sinnesfrohen Frömmigkeit des Barockzeitalters, konnten die
altersgraue romanische Kirche des Klosters und die ein knappes Jahrhundert
verwaist gestandenen Konventgebäude nicht mehr genügen.
1681 wurde mit dem Abbruch der alten Gebäude begonnen; bis
1704 erstand das neue Kloster in seiner bis in die Gegenwart erstrahlenden
barocken Pracht. Der Prager Baumeister Abraham Leuttner lieferte
die Pläne zum Neubau des Klosters, der unter der Leitung seiner
Schüler Georg († 1689) und Christoph Dientzenhofer errichtet
und vollendet wurde. Berühmte Künstler konnten für
die Innenausstattung des neuen Gotteshauses gewonnen werden. Der
vorher im Passauer Dom tätige Stuckateur Giovanni Battista
Carlone beispielsweise akzentuierte und vollendete das Architekturgefüge
mit üppigen Blattgirlanden, Blumengestecken, reich gestalteten
Kartuschen und Figurenmotiven. Die Decken- und Wandfresken schuf
der Prager Maler Jakob Steinfels. Dies alles erläuterte uns
Herr Müller; als überaus kompetent erwies er sich aber
auch bei seinen Bemühungen, uns die geistlichen Hintergründe
zu vermitteln, vor denen sich das komplexe Bildprogramm der Kirche
erst zu erschließen beginnt.
Besondere Verehrung erfahren in Waldsassen die auf den Seitenaltären
der Stiftsbasilika präsentierten Heiligen Leiber. Es handelt
sich um die Gebeine von zehn bei den Christenverfolgungen ums Leben
gekommenen Märtyrern aus den Katakomben in Rom, die durch den
Waldsassener Laienbruder Adalbert Eder in kunstvoller Filigranarbeit
mit Gold- und Silberfäden, Perlen und Edelsteinimmitationen
gefasst wurden. Den viersäuligen Stuckmarmoraufbau des Hochaltares
schuf ebenfalls Giovanni Battista Carlone, das kunstvoll geschnitzte
Chorgestühl ist ein Werk des einheimischen Bildhauers Martin
Hirsch. Die Fresken im Chorgewölbe, so erläuterte uns
unser Führer, erzählen die Gründungslegende des Klosters
Waldsassen. |
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Blick auf die Stiftsbasilika Waldsassen |
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Das Innere der barocken Klosterkirche
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Das Grabmal für die drei ersten
Waldsassener Äbte nach der Wiederbesiedlung des Klosters |
In der Klostergruft |
Die "Backofengrüfte"
der Waldsassener Mönche |
Nun folgten wir Herrn
Müller in die Gewölbe unter der Klosterkirche. Dort,
wo bisher Äbte und Konventualen ihre letzte Ruhestätte
fanden, hatte man nach der Säkularisation im 19. Jahrhundert
einen Kartoffelkeller eingerichtet und dazu die Grüfte auf
der Nordseite aus den Gewölbebögen gerissen. Die Gebeine
der hier bestattet gewesenen Mönche wurden auf den Friedhof
umgebettet. Heute ist die würdig renovierte Gruft wieder
ein Ort des stillen Gedenkens. Gleich beim Eingang, unter dem
Chor der Stiftskirche, stößt man auf das Grabdenkmal
der ersten drei Waldsassener Äbte nach der Wiederbesiedlung
des Klosters, Albertus Hausner, Anselm Schnaus und Eugen Schmid,
unter deren Leitung Kirche und Kloster ihr heutiges barockes Gewand
erhielten. Auf der Südseite der Gruft werden die Bögen
zwischen den Pfeilern, auf denen das Gotteshaus ruht, noch von
den bienenwabenartigen "Backofengräbern" der hier
bestatteten Mönche ausgefüllt. Die Platte, die das Grab
an der Vorderseite verschließt, ist mit den Namen und Lebensdaten
der dahinter zur Ruhe gebetteten versehen und so stießen
wir bald auf das Grab jenes Fraters Adalbert Eder, der sich durch
die kunstvolle Fassung der Heiligen Leiber ein bleibendes Denkmal
schuf. Interessantes wusste uns Herr Müller auch über
den letzten Waldsassener Abt Athanasius zu erzählen, der
bald nach der Aufhebung des Klosters im Jahr 1803 verstorben und
auf dem Friedhof außerhalb des Klosters beigesetzt wurde.
Er soll als Geist solange im Waldsassener Pfarrhof herumgespukt
haben, bis man seine Gebeine zu seinen Brüdern in die Klostergruft
umbettete. Nach dem Verlassen der Gruftgewölbe dankten wir
Herrn Müller für den sehr informativen Rundgang, den
er mit uns gemacht hatte, verabschiedeten uns von ihm und gingen
zum Mittagessen, das wir im Gästehaus Sankt Joseph der Zisterzienserinnen-Abtei
Waldsassen bestellt hatten.
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Aus der Gründungslegende Waldsassens:
Markgraf Diepold III. zeigt Abt Gerwig die Narbe am Hals |
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Im Chor der Stiftsbasilika |
Der legendäre Bibliothekssaal |
Vor dem Altar in der Klostergruft |
Der Nachmittag begann mit einer Führung
im berühmten Waldsassener Bibliothekssaal. Die prachtvolle
Ausstattung dieses Raumes erfolgte 1724/25 unter dem Abt Eugen
Schmid. Das zarte, farbig gefasste Ranken- und Bandelwerk des
Stuckateurs Jacopo Appiani wird von Putten und einer Fülle
grotesker Fabelwesen bevölkert. Die Deckenfresken schuf der
Bayreuther Maler Karl Hofreiter. Das Einmalige dieses Saales stellen
jedoch die reichen, vom Waldsassener Bildhauer Karl Stilp geschaffenen
Schnitzarbeiten an der "Bibliotheksinnenarchitektur"
dar. Besonders die lebensgroß geschnitzten Atlanten, die
den Umgang der oberen Bibliotheksetage tragen, ziehen alle Blicke
auf sich. Viele hatten noch die Worte früherer Führer
im Ohr, welche die dargestellten Personen als Mitarbeiter beim
langen Prozeß der Buchherstellung deuteten. Heutzutage gelten
die skurrilen Skulpturen als Personifikationen der verschiedenen
Formen des Hochmuts.
Wie unsere Führerin erklärte, waren die mittelalterlichen
Buchbestände des Klosters Waldsassen nach 1571 in die kurfürstliche
Bibliothek nach Heidelberg gelangt. Zusammen mit der Bibliotheca
Palatina gelangten auch die Reste der Waldsassener Klosterbibliothek
in die Bibliotheca Apostolica des Vatikans, wo sie noch heute
aufbewahrt werden. Und auch die Bibliothek des 1661 wiedergegründeten
Klosters, für die der prächtige Bibliothekssaal gebaut
worden war, wurde nach der Säkularisierung 1803 abtransportiert.
Die wertvollsten Stücke gelangten in die Bayerische Staatsbibliothek
nach München, ein Teil wanderte in die Amberger Provinzialbibliothek,
der größte Teil des Bücherschatzes aber wurde
gefleddert und verschwand wohl hauptsächlich in irgendwelchen
Papiermühlen. Die Bücher, die heute die ebenerdigen
Bibliotheksregale füllen, sind durchwegs gedruckte Predigtsammlungen,
die als Leihgabe von der Provinzialbibliothek Amberg zur Verfügung
gestellt wurden. Die Bände in der oberen Etage stellen die
Bibliothek des 1864 neu gegründeten Zisterzienserinnenkonvents
Waldsassen dar.
Besondere Überraschungen hielt das Waldsassener Stiftlandmuseum
für uns bereit. Nicht nur, dass wir von Museumsleiter Adolf
Gläßel persönlich begrüßt wurden. In
den 54 reichhaltigen und bis ins Detail liebevoll gestalteten
Abteilungen des Museums gab es vieles zu entdecken: Anschauliche
Präsentationen zur Stadt- und Klostergeschichte, komplett
eingerichtete Werkstätten fast vergessener Handwerker, eine
große Sammlung religiöser Volkskunst, ein Bierkeller
mit Exponaten zum Kommunbrauwesen, um nur einiges aufzuzählen.
Viele zeigten sich überrascht von der Größe und
Reichhaltigkeit des Museums und obwohl Waldsassen nur einige Kilometer
von Marktleuthen entfernt liegt, war dies ihr erster, aber bestimmt
nicht der letzte Besuch im Stiftlandmuseum. Die anderthalb Stunden,
die wir für den Museumsbesuch eingeplant hatten, reichten
nur für einen wahren Schnelldurchlauf, denn um Viertelfünf
wollten wir bei der Kappl sein. |
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Grufttafel des Abtes Athanasius |
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Romanische Säulenbase der mittelalterlichen
Klosterkirche im Stiftlandmuseum |
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Die Museumsschmiede im Stiftlandmuseum |
Blick in die Sonderausstellung über
die Wallfahrtskirche Kappl im Waldsassener Stiftlandmuseum |
Die Wallfahrtskirche Kappl |
Eingestimmt durch
die Sonderausstellung zur 300jährigen Weihe der Kapplkirche
im Stiftlandmuseum, machten wir uns auf den Weg zum Glasberg bei
Münchenreuth. Alles an der barocken Wallfahrtskirche verweist
auf die Heilige Dreifaltigkeit: Der dreipaßförmige
Grundriß, die drei Türme, die drei Dachreiter, aber
auch der in drei Konchen angeordnete Innenraum mit seinen drei
mal drei Altären. Die Idee zu dieser architektonischen Verehrung
der Trinität hatte der uns schon aus Waldsassen bekannte
geniale Baumeister Georg Dientzenhofer.
Die Geschichte der Kirche reicht allerdings viel weiter zurück;
bis in das 12. Jahrhundert nämlich. Wie Frau ... , die sich
uns als Führerin in der Kappl zur Verfügung gestellt
hatte, meinte, könnte die älteste, aus Holz errichtete
Kapelle, an Stelle eines heidnischen Kultplatzes errichtet worden
sein. Nach Zerstörungen in vielen Kriegen wurde die immer
wiedererrichtete Holzkapelle schließlich durch einen Steinbau
ersetzt, der auf dem Hochaltar der Kappel unter der Heiligen Dreifaltigkeit
und einer ganzen Schar von Engeln zu sehen ist. Die heutige Kirche
entstand unter der Leitung Georg Dientzenhofers ab 1685 in einem
Zeitraum von nur vier Jahren. Bauherr der neuen Wallfahrtskirche
auf dem Glasberg war das Kloster Waldsassen, aber auch die Stadt
Eger half mit beträchtlichen Finanzmitteln bei der Entstehung
des Gotteshauses mit.
Als wir das Innere der Kappl betraten, wurden wir von den Stimmen
des Männerchors "Liedertafel Senftenberg" aus Österreich,
der sich ebenfalls gerade auf Besichtigungstour in der Oberpfalz
befand, unvermutet festlich empfangen. Wir betrachteten den -
im Gegensatz zur Waldsassener Stiftsbasilika - von barocker Pracht
nicht gar so überladenen Kirchenraum und bemerkten, dass
die Deckenfresken so gar nicht zur übrigen Ausstattung passen
wollten. Frau ... klärte uns auf, dass der Dachstuhl der
Kappl um 1880 abgebrannt sei, wobei auch die ursprünglichen
Kuppelfresken des Prager Malers Anton Smichäus vernichtet
worden sei. Die heutige Ausmalung sei erst rund 50 Jahre später
- in den Jahren 1934 bis 1940 - entstanden. Der Maler Maler Oskar
Martin-Amorbach habe damals nicht nur Martin Luther, sondern sogar
Adolf Hitler als "Person der Zeitgeschichte" an der
Kirchendecke dargestellt.
Im "Umgang" der Kapplkirche gab es schließlich
noch den zweiten Teil der Sonderausstellung zum 300jährigen
Weihejubiläum der Kirche. Darin wird das Leben und Wirken
der Baumeisterfamilie Dientzenhofer thematisiert. Die beiden interessanten
Ausstellungsteile - im Stiftlandmuseum und in der Kappl selbst
- sind übrigens noch bis zum 6. Januar 2013 zu sehen. Gegen
17.30 Uhr fand der interessante Ausflug ins benachbarte Stiftland
sein Ende und, begleitet von Sonnenschein, fuhren wir wieder ins
Sechsämterland zurück.
Harald Stark
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Im Inneren der Kappl |
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Ausschnitt aus dem Deckengemälde |
Weitere Fotos und Informationen
Weitere Exkursionen des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen im Fichtelgebirge
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