Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

 

Vom Mythos Kristall zum Fichtelgold

 
Der zweite Samstag im März stand beim Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen ganz im Zeichen des Kristalls. Das Ziel des Vormittags war die noch bis zum 11. April laufende Sonderausstellung "Mythos Bergkristall" im Fichtelgebirgsmuseum. Den Auftakt der Ausstellung bildet eine Zusammenschau verschiedenartiger Erscheinungsformen von Quarzkristallen rund um den Globus: Klare Bergkristalle oder der undurchsichtige Milchquarz, durch radioaktive Strahlung dunkel verschleierte Rauchquarze und der ganz verfinsterte Morion, aber auch durch chemische Beimischungen verfärbte Kristalle wie der violette Amethyst, der gelbe Citrin oder Rosenquarz wurden von verschiedenen Sammlern für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Allen diesen Mineralien ist eines gemeinsam: Ihr Grundgerüst besteht aus Siliziumoxyd. Doch wie entstanden diese Kostbarkeiten der Natur? Eine der kurz und prägnant abgefassten Texttafeln informiert uns: "Am Anfang der Entstehung steht Magma, das an der Erdoberfläche meist als Granit erstarrt. Wenn diese Kruste sich faltet, bilden sich Hohlräume. Hierin sammeln sich heiße und wässrige Lösungen aus dem umliegenden Gestein. Über lange Zeit kristallisieren die gelösten Minerale aus; aus Siliziumdioxid entstehen so Quarzkristalle."
Solche Bergkristalle sind weltweit zu finden und auch aus dem Fichtelgebirge gibt es zahllose Fundstücke, die meist als Beifunde in Erzgruben oder Steinbrüchen zu Tage gefördert wurden. Eine Ausnahme bildete das "Crystallen- oder Strahlenbergwerk" in Weißenstadt, wo Bergkristall bergmännisch abgebaut wurde. Im zweiten Raum werden vor allem "Ströller" aus dem Fichtelgebirge gezeigt, wobei sich dieser mundartliche Ausdruck für die Bergkristalle sicherlich nicht - wie behauptet wurde - von irgendeiner Strahlung ableitet, sondern von den leuchtenden, reflektierenden Effekten der Bergkristalle, so als wenn man von strahlenden Sternen oder Augen spricht. Von Strahlen im physikalischen Sinne war unseren fichtelgebirgischen Vorfahren, als sie von "Ströllern" oder vom "Strahlenbergwerk" sprachen, nämlich noch gar nichts bekannt! Unsere Freude war groß, als wir neben Bergkristallen aus Weißenstadt auch wunderschöne Exemplare aus unserer Heimatstadt Marktleuthen entdecken konnten.
Besondere Kostbarkeiten gab es im dritten Ausstellungsraum zu bewundern, wo Produkte aus Bergkristall im Fokus stehen. Das wohl beeindruckendste Exponat in diesem Raum ist ein aus Bergkristall geschnittenes Portraitsiegel des "Winterkönigs", Friedrich V. von der Pfalz (1596 - 1632), das die Staatliche Münzsammlung in München als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat. Vom gleichen Leihgeber stammen auch ein aus Rauchquarz gefertigtes und in Messing gefasstes Medusenhaupt aus dem 18. Jahrhundert und eine um 1800 ebenfalls aus Rauchquarz geschnittene Büste des römischen Hauptgottes Jupiter in einer prächtigen Goldfassung mit Halbedelsteinen. Die letzte Abteilung der Ausstellung thematisiert die moderne technische Nutzung von Silizium.
In der Sonderausstellung "Mytos Bergkristall" im Wunsiedler Fichtelgebirgsmuseum
Bergkristall mit Limonit-Überzug aus Marktleuthen
 
Der größte bisher im Fichtelgebirge gefundene Bergkristall, ein Rauchquarz
Ein mit Bergkristall überzogener Tropfstein
Der aus Rauchquarz geschnittene römische Göttervater Jupiter
Am Nachmittag stiegen wir dann mit Willi Sack in die Weißenstädter Unterwelt ein. Vom Keller seines Hauses in der Kirchenlamitzer Straße führt ein Zugang in das alte Kristallbergwerk, das Willi Sack für Besucher erlebbar gemacht hat. Im Hausflur gab er uns zunächst in seiner launigen Art einen kurzen Abriß über die Geschichte des Bergwerkes, aus dem schon um 1420 Kristalle ans Tageslicht gefördert wurden, die damals von den fürstlichen Landesherrn zu Schmuck verarbeitet, von der Bevölkerung aber auch zu magischen und volksheilkundlichen Zwecken verwendet wurden. Nach dem Niedergang im Dreißigjährigen Krieg erlebte das Bergwerk zur Zeit der kunstsinnigen und baufreudigen Markgräfin Wilhelmine (1709 - 1758) eine Rennaissance, welche die in Weißenstadt der Erde entrissenen Kristalle am Neuen Schloß der Eremitage bei Bayreuth als Fassadenschmuck anbringen ließ. Nach den Zerstörungen des II. Weltkrieges seien an diesem Schloß allerdings nur noch zwei Säulen mir originalen Kristallen aus Weißenstadt erhalten geblieben.
Nun ging es hinab über die Kellertreppe in einen gemauerten Kellerraum, wo Herr Sack einige in "seinem" Bergwerk gefundene Kristalle ausgestellt hat. Hier erzählte er uns von den Untersuchungen des Kernforschers Prof. Dr. Bruno Sansoni, der in den Stollen im Weißenstädter Untergrund eine hohe Radonkonzentration entdeckte und diese zur Behandlung rheumatischer Erkankungen nutzbar machen wollte. Inzwischen sei der Kellerraum, in dem wir uns gerade befanden, entlüftet - im Bergwerksgang selbst sei die Konzentration des radioaktiven Gases allerdings so hoch, dass man sich darin nicht länger als eine halbe Stunde aufhalten sollte.
Wir stiegen nun noch einige Treppenstufen hinunter und gelangten durch eine moderne Stahltür in den historischen Bergwerksgang. Gleich rechts hinter dem Eingang zweigt ein wohl im 19. Jahrhundert entstandener Nebenkeller ab. Der Bergwerksstollen selbst ist in seinem Anfangsbereich sicher mehr als 3 Meter hoch, wird jedoch nach etwa 4 bis 5 Metern immer enger und niedriger. An der Firste ist deutlich der Quarzgang zu sehen, den die Bergleute hier verfolgt haben. Bald wird der Gang so eng und niedrig, dass man sich gebückt durch den Berg zwängen muss. Von oben haben sich die Wurzeln einer Eiche den Weg durch die Spalten des Granits in den alten Gang gesucht. Bald zweigt ein schmaler Gang nach rechts ab; hier soll ein enger Förderschacht nach oben an die Oberfläche geführt haben. Am Ende weitet sich der Stollen noch einmal. Nach oben sieht man in finstere Löcher, wo wohl Quarze und Kristalle aus dem Fels geschlagen wurden. Der Gang neigt sich nach unten, wo Schutt das weitere Fortkommen verhindert; nur ein kleiner Spalt am Boden lässt die Fortsetzung des Berggebäudes erahnen. Wie Herr Sack berichtet, haben universitäre Forscher bereits das Wagnis auf sich genommen, hier weiterzukriechen. Sie hätten die Fortsetzung des Stollens vermessen und festgestellt, dass dort noch zahlreiche herrliche Bergkristalle im Dunkel des Berges verborgen liegen. Wir aber, ergriffen vom Schauer der Enge und der Dunkelheit, strebten wieder dem Ausgang entgegen und waren froh, als das Tageslicht uns wieder umfing.
Zum krönenden Abschluss unseres Ausfluges besuchten wir nun das Drogeriemuseum und die Destille Sack. Wie uns Herr Sack erläuterte, sei seine Familie vor fast 300 Jahren wegen ihres Glaubens aus der Lichtenfelser Gegend vertrieben worden und habe in Weißenstadt eine neue Heimat gefunden. Hier habe sie seit rund 150 Jahren einen Spezereiwarenhandel und später eine Drogerie betrieben. Die Einrichtung derselben, die Arbeitsgeräte, aber auch zahlreiche Bücher, Herbarien und eine "Drogensammlung" habe er nach der Betriebsaufgabe der Drogerie in seinem Drogeriemuseum ausgestellt. Aber auch die Lebensgeschichte von Willi Sack findet sich hier dokumentiert. Seine Schulbücher, Erinnerungen aus der durch den II. Weltkrieg geprägten Jugend - er war mit 15 Jahren zum Militärdienst eingezogen worden - und Zeugnisse aus seinem eigenen Familien- und Berufsleben überraschen hier den Besucher. Nachdem wir die Schätze des Drogeriemuseums bestaunt und bewundert hatten, ging es die steile Treppe hinunter in die Destille, wo inzwischen Willi Sack's Schwiegersohn Gerald Kastl die Produktion der edlen Liköre übernommen hat. Herr Kastl erklärte uns die Funktion der hier umher stehenden Apparaturen und erzählte, dass die hier entstehenden Liköre nach teilweise 150 Jahre alten Familienrezepten hergestellt würden. Natürlich hatten wir auch die Gelegenheit den einen oder anderen guten Tropfen, wie beispielsweise den legendären, mit der Kraft von 32 Fichtelgebirgskräutern ausgestatteten Fichtelgold, zu verkosten. Wir bedankten uns bei Willi Sack und Gerald Kastl für die gewährten Einblicke in den Weißenstädter Untergrund, das Drogeriemuseum und die Destille sowie für die vielen interessanten Details, die wir erfahren durften und beendeten unseren Kurzausflug bei Bohnensud und anderen Leckereien im Café Leupold.

Harald Stark

 
Abstieg in die Weißenstädter Unterwelt
Im Kristallbergwerk
 
Willi Sack in seinem Weißenstädter Drogeriemuseum
In der Sack'schen Destille
Im Schutt verborgen: Die Fortsetzung des Bergwerksstollens

 

Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen