Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

 

Zu Gast in Kirchenlamitz

 
Nachdem die Marktleuther St. Nikolauskirche im Frühjahr das Ziel des Arbeitskreises für Kultur- und Heimatfpflege Kirchenlamitz gewesen ist, folgten die Marktleuthener Heimatforscher nun der Einladung zu einem Gegenbesuch. Werner Bergmann, der Leiter des Kirchenlamitzer Stadtarchivs und Oberhaupt des Kirchenlamitzer Arbeitskreises, begrüßte die Marktleuthener Kollegen auf dem Marktplatz, von wo aus es nur ein paar Schritte bis zur Evangelischen Stadtpfarrkirche St. Michaelis sind. Vor dem spitzbogigen und mit der Jahreszahl 1508 und einem scheinbar leer gebliebenen Wappenschild versehenen Portal zum Turmuntergeschoss, dem ehemaligen Haupteingang der Kirche, erläuterte uns Werner Bergmann die älteste Kirchengeschichte unseres 1356 erstmals erwähnten Nachbarortes. Die in der älteren heimatkundlichen Literatur immer wieder verbreitete Geschichte vom "Kirchlein an der Lamitz", das mitten im Überschwemmungsgebiet des Baches an Stelle des Anwesens Königstraße 25 gestanden haben soll, wurde durch Bergmanns Forschungen über die Anfänge von Kirchenlamitz endgültig in das Reich der Sagen und Legenden verwiesen. Die Kirche stand schon immer da, wo sie auch jetzt steht: Auf einem trockenen Hügel nordwestlich des ältesten Siedlungskerns um den Badersbrunnen, inmitten eines heute verschwundenen Friedhofes.
Blick vom Marktplatz zur Michaeliskirche
Werner Bergmann vor dem Turmportal der Michaeliskirche
Blick in das Kircheninnere der Michaeliskirche
Der moderne Kanzelaltar mit den barocken Figuren

1494 war mit dem Bau einer neuen Kirche in Kirchenlamitz begonnen worden. Von diesem Bau ist bis heute der 1508 vollendete Turm erhalten geblieben, dessen achteckiges Obergeschoss 1616 hinzugefügt wurde. Um 1600 war das Langhaus nach Süden erweitert worden, wofür der damalige Landesherr Markgraf Georg Friedrich das Bauholz herschenkte. Sein Wappen und das seiner zweiten Gemahlin Sophia von Braunschweig-Lüneburg befinden sich noch heute an der Westwand des Langhauses. 1830 fiel dieses Gotteshaus einer Brandkatastrophe zum Opfer, die auch einen großen Teil der Stadt in Schutt und Asche legte. In der Folge wurde das ganze Kirchengebäude, mit Ausnahme des Turmes und der Chorwände abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt, zu dem der kgl. Baukondukteur Burg aus Bayreuth die Pläne geliefert hatte. Die Einweihung des wiederauferstandenen Gotteshauses konnte nach mehr als dreijähriger Bauzeit am 15. Oktober 1837 gefeiert werden.

Die Ehewappen des Markgrafen Georg Friedrich und seiner Gemahlin Sophia
Werner Bergmann berichtet über die Ausstattung der Kirche
Stefan Ganzmüller ließ für uns die Orgel erklingen
Figuren vom Schmuck des neugotischen Kanzelaltars
Seine heutige Gestalt erhielt das Kircheninnere durch eine durchgreifende Renovierung 1959. Damals wurden der um 1835 in neogotischen Formen geschaffene Kanzelaltar und die vom einheimischen Orgelbauer Wilhelm Raeithel gefertigte Orgel aus der Kirche entfernt. Im neuen Altar kamen die beim Brand von 1830 vom barocken Kanzelaltar geretteten Figuren wieder zu Ehren. Diese 1687 entstandenen Skulpturen sind vom Kunsthistoriker Bernhard Hermann Röttger wohl zurecht der Werkstatt des seit 1678 als Hofbildhauer in Bayreuth tätigen Elias Räntz (1649 - 1732) zugeschrieben worden, obgleich sie laut Pfarrer Klaus-Dieter Eichner, der 1985 einen Kirchenführer verfasste, aus der Werkstatt des Hofer Bildhauers Johann Nikolaus Knoll (1667 - 1744) stammen sollen. Dieser wäre 1687 jedoch gerade einmal 20 Jahre alt gewesen. Die 1960 vollendete Orgel der Orgelbaufirma Steinmeyer in Öttingen erklärte uns abschließend der Organist Stefan Ganzmüller, dem wir für seine interessanten Ausführungen und sein exzellentes Orgelspiel hier nochmals Dank sagen wollen.
Das schmucke Vortragskreuz in der Michaeliskirche
 
Nun geleitete uns Werner Bergmann in das nahe gelegene Rathaus, wo sich im Obergeschoss und Dachgeschoss "sein Reich", das Stadtarchiv Kirchenlamitz befindet. Auf der Stiege durch die Etagen bewunderten wir die Galerie mit Portraitfotos der örtlichen Bürgermeister von 1900 bis 2008, wobei auch die letzten Ortsvorstände der 1977 eingemeindeten Dörfer nicht fehlen. Sicherlich war es nicht leicht, vor allem von den Amtsträgern früher Jahre, Fotografien aufzutreiben. Die Akten des Stadtarchives werden streng nach Provenienzen geschieden in 6 Räumen des ausgebauten Dachgeschosses gelagert. Gleich gegenüber ist praktischerweise die Registratur der Stadtverwaltung untergebracht. Die Unterlagen sind fein säuberlich in Archivkartons untergebracht. Die ältesten Dokumente, die sich im Ortsarchiv Niederlamitz erhalten haben, gehen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Die älteren Unterlagen der Stadt Kirchenlamitz selbst wurden beim Brand von 1830 größtenteils vernichtet. Um so wertvoller ist die Chronik des Kirchenlamitzer Rektors Johann Heinrich Scherber, der diese Dokumente noch auswerten konnte und die Ergebnisse in seinen Aufzeichnungen verarbeitete. Das Original dieser Handschrift von 1793 befindet sich in Bayreuth in der Bibliothek des Historischen Vereins für Oberfranken, doch verfügt das Stadtarchiv Kirchenlamitz über eine detailgetreue Abschrift der Chronik die im 19. Jahrhundert entstanden ist. Für die Marktleuthener Heimatforschung von besonderem Interesse sind die im Archiv vorhandenen "Kirchenlamitzer Anzeiger" aus den Jahren von 1892 bis 1960. Auch einen Band "Marktleuthener Nachrichten" aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts konnte uns Werner Bergmann vorlegen. Ein Vergleich zeigte, dass die Ausgaben beider Zeitungen identisch sind und nur der "Kopf" variiert. Wie Harald Stark betonte, sucht er schon lange einen Mitarbeiter, der diese nur im Stadtarchiv Kirchenlamitz zu findenden Zeitungsbände nach Berichten über Marktleuthen durchsucht und diese in einer Computerdatei verzeichnet. Leider ließ sich bisher noch niemand finden, der diese zeitaufwändige aber sicherlich sehr interessante Arbeit übernehmen möchte.
In einem letzten Raum lagern die Sammlungsbestände des Stadtarchivs. Hier gibt es unzählige Fotos und Ansichtskarten, wobei Werner Bergmann gerade auch Aufnahmen aus den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sammelt. Einige Kirchenlamitzer haben dem Stadtarchiv auch schon ihr "Hausarchiv" übergeben, teilweise reichen auch diese in Privathaushalten überlieferten Unterlagen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Ein besonders seltenes Stück ist ein in einer Niederlamitzer Scheune gefundener, in ein beschrieben gewesenes Papierfragment aus dem 18. Jahrhundert eingewickelter Leinensack mit geflochtenen Haaren, Überresten von Pflanzen und einem Geißfuß, der einst wohl als Schutzamulett verwendet wurde und die Scheune vor Feuer und Blitzschlag schützen sollte. Außerdem zeigte uns Werner Bergmann einen Kasten mit Eisenfunden vom Epprechtstein, der aus Privatbesitz dem Stadtarchiv übergeben wurde.
Ein interessanter Nachmittag neigte sich nun seinem Ende entgegen. Wir bedankten uns bei Werner Bergmann, der uns viel Neues erzählt und tiefe Einblicke in seine Arbeit als Heimatforscher und Stadtarchivar gewährt hat. Sein gemütliches Ende fand der Besuch bei unseren Kirchenlamitzer Nachbarn in der Pizzeria "Da Christine" in der Weißenstädter Straße.


 
 
Harald Stark


 Weitere Exkursionen des Arbeitskreises für Heimatforschung Marktleuthen im Fichtelgebirge
Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen