Sakrale Perlen und historische
Orgeln
im Vogtland
Die diesjährige Busexkursion des Arbeitskreises für
Heimatforschung Marktleuthen am 29. August 2009 versprach schon
vom Titel her, etwas anders zu werden, als die bisherigen Fahrten
der Marktleuthener Heimatfreude. Noch nie stand die Königin
der Instrumente, die Orgel, im Mittelpunkt einer Busexkursion.
Immerhin 37 Interessierte ließen sich auf das Wagnis ein
und starteten morgens um 8.00 Uhr auf dem Markt-leuthener Marktplatz
in Richtung Vogtland.
Wie schon in der FRANKENPOST angekündigt, fuhren wir beim
Einkaufsmarkt Globus kurz vor Plauen von der Autobahn ab, machten
um den Konsumtempel je-doch einen großen Bogen und begannen
unsere Besichtigungstour in Weischlitz. Um den
fünf auf dem Programm stehenden Kirchen ein gewisses Gegengewicht
zu setzen, bildete eine kurze Inaugenscheinnahme des Rittergutes
Oberweischlitz den Auftakt. Hier erwartete uns auch schon Herr
Hans-Jürgen Voigt, vom Förderverein Rittergut Kürbitz
e.V., der sich uns als sachkundiger Führer zur Verfügung
gestellt hat.
Vom Rittergut Oberweischlitz sind noch das mit einem schmucken
Mansarddach bedachte Herrenhaus und zwei Nebengebäude mit
prächtigen Fachwerkober-geschossen übrig geblieben.
Nach dem Willen der sowjetischen Besatzungsmacht hätten eigentlich
alle an die einstige Feudalherrschaft erinnernden Gebäude
abgebrochen und das Baumaterial dem sozialen Wohnungsbau zugeführt
werden sollen; die Weischlitzer aber ließen die Gebäude
stehen und richteten darin ihre Sozialwohnungen ein. Bis zur Wende
waren die vernachlässigten Gebäude jedoch so stark baufällig
geworden, dass sie dem Einsturz nahe waren. In den 90er Jahren
wurden das Oberweischlitzer Rittergut dann mit Mitteln aus den
verschiedensten Fördertöpfen aufwändig saniert.
Heute ist im Herrenhaus das Rathaus untergebracht, eines der Nebengebäude
dient der Sparkassenfiliale als Herberge und im anderen stehen
den Bürgern Säle und Nebenräume für Veranstaltungen
und Feiern zur Verfügung. Im Schlosshof läd ein Spielplatz
zum Spielen ein und eine bedachte Holzbrücke führt über
die Weiße Elster hinüber nach Unterweischlitz.
Vom Unterweischlitzer Rittergut ist nicht mehr übrig geblieben
als einige Stützmauern, die heute das Gelände eines
Supermarktes stabilisieren. An diesem und schönen gründerzeitlichen
Häusern vorbei, die an den industrieellen Aufschwung Weischlitz'
im frühen 20. Jahrhundert erinnen, ging es nun nach Kürbitz,
wo wir nach dem überqueren einer im Kern zwar mittelalterlichen,
mit viel Geld aber überrenovierten Brücke unsere nächsten
beiden Ziele erreichten: Die Salvatorkirche und das Rittergut
Kürbitz. Schon um 1300 herum zählte
die nach ihrem nördlich von Hof gelegenen Stammsitz benannte
Familie von Feilitzsch zu den Grundherren in Kürbitz. Jobst
v. Feilitzsch erwarb im späten 15. Jahrhundert die drei anderen
im Ort bestehenden adeligen "Vorwerke" und begründete
auf diese Weise das Rittergut Kürbitz. Die Geschichte des
Ortes ist jedoch besonders mit einer Persönlichkeit eng verknüpft:
Dem markgräflich-brandenburgischen Kanzler Urban Caspar v.
Feilitzsch (* 1585 † 1649), der von 1624 bis 1626 die prächtige
Kirche in Kürbitz neu erbauen und auch das alte Herrenhaus
des Rittergutes durchgreifend erneuern ließ.
Besonders die Kirche ist ein Zeugnis dafür, wie sehr sich
Urban Kaspar - der während der oft längeren Abwesenheiten
des Markgrafen Christian die Geschichte des Fürstentums Brandenburg-Kulmbach,
zu dem auch Marktleuthen gehörte, leitete - zur Zeit des
Dreißigjährigen Krieges um den konfessionellen Ausgleich
bemühte. Obgleich das Gotteshaus als protestantische Kirche
und auf dem ersten Blick im manieristischen Stil errichtet wurde,
trägt es doch auch noch deutlich spätgotische Züge,
wie spitzbogige Maßwerkfenster, oder einen eingezogenen
Chor im Fünf-achtelschluß mit zweijochigem Gratgewölbe.
Im Inneren birgt der Chor einen von Hofer Künstlern gefertigten
Schnitzaltar aus der Zeit um 1500 mit Skulpturen der Muttergottes
und der Apostel Petrus und Paulus im Mittelschrein sowie den zwölf
Aposteln auf den Flügeln.
Nun ging es über die Südempore, wo eine Reihe von Ahnenbildern
der Feilitzsch's hängen, hinauf auf die Orgelempore, wo uns
unser Organist, Herr Hartwig Küspert aus Thiersheim, zunächst
einmal die Funktion einer Orgel erklärte und uns dieselbe
an einigen noch vorhandenen Pfeifen des alten Orgelwerkes demonstrierte.
Von der alten, 1720 eingebauten Barockorgel, ist noch das vom
Hofer Künstler Nikolaus Knoll mit reichem Schnitzwerk verzierte
Prospekt erhalten geblieben, hinter dem ein 1977 eingebautes neues
Orgelwerk steckt. Mit seinen Variationen verstand es der Organist
meisterhaft uns die Klangfülle und Bandbreite des Instruments
zu demonstrieren. Nachdem er ein Weihnachtslied von dem an modernen
Orgelwerken nur noch selten vorhandenen Zymbelstern hatte untermalen
lassen, schloss er seine Vorführung mit einem Pedalsolo mit
"Lachkonzert".
Nach einem kurzen Besuch in dem heute von der Orgel verdeckten
Herrschafts-oratorium mit einem wappengeschmückten Rennaissance-Kamin,
ging es noch hinunter in die mit einem kunstvollen Eisengitter
vom Langhaus abgetrennte Begräb-niskapelle im südlichen
Seitenschiff der Kirche, wo zahlreiche Grabsteine und Epitaphien
an verschiedene Verstorbene aus dem Hause Feilitzsch erinnern.
Auch Urban Caspar, der Stifter der Kirche, fand hier seine letzte
Ruhe. Sein altarähnliches Epitaph wurde in der Kulmbacher
Werkstatt Brenck/Schlehdorn gefertigt. Das gegenüber hängende
Epitaph für den 1511 verstorbenen Jobst von Feilitzsch zeigt
Kopien von Originalgemälden Lukas Cranachs d.Ä. (1472
- 1553).
Das der Kirche gegenüber liegende Schloss Kürbitz war
noch bis 1945 von der Familie v. Feilitzsch bewohnt. Das im wesentlichen
aus einem mittelalterlichen Wohnturm mit einem vorkragenden Fachwerkaufsatz
unter einem steilen Satteldach bestehende Gebäude ist letztmalig
in den Jahren 1936 bis 1938 renoviert worden. Während zu
DDR-Zeiten ein großer Teil der Wirtschaftsgebäude verschwunden
ist, diente das Herrenhaus als Wohnung für Umsiedler, als
Schulküche und Sitz der Gemeindebibliothek. 1987 wurden das
Dach und das Obergeschoß des inzwischen baufällig gewordenen
und fast leerstehenden Gebäudes durch Feuer zerstört.
Die Brandruine wurde mit einem Notdach versehen; nach der Wende
kümmerte sich zunächst Joachim Freiherr v. Feilitzsch
um den Erhalt der Überreste. 2005 konstituierte sich der
Förderverein Rittergut Kürbitz e.V. der sich seither
um den Wiederaufbau und eine adäquate Nutzung des historischen
Bauwerkes bemüht.
Im Erdgeschoss befindet sich ein Raum mit einer flachen Stuckdecke
aus dem 18. Jahrhundert. Über eine Stiege, deren Handlauf
auf prächtigen Ballustersäulen ruht gelangt man in das
erste Obergeschoß, in dem ein heute allerdings in mehrere
Räume aufgeteilter Saal mit einer aufwändig gearbeiteten
spätgotischen Holzbalkendecke aus dem frühen 16. Jahrhundert
überrascht. In dem aus Fachwerk errichteten Obergeschoss
ist der Brandschaden von 1987 noch allgegenwärtig - allerdings
ist es dem Förderverein inzwischen gelungen diesen Bereich
statisch zu sichern und das markante, schiefergedeckte Satteldach
des Herrenhauses wieder erstehen zu lassen. Glücklicherweise
verschonte das Feuer einen Teil der zweiten Etage, in welchem
bemalte Holzbalkendecken aus dem frühen 17. Jahrhundert an
die Bautätigkeit Urban Caspars erinnern.
Wir bedankten uns für die Einblicke, die uns der Förderverein
Rittergut Kürbitz in seine Großbaustelle gewährt
hatte und wünschten Gottes reichen Segen für den weiteren
Fortgang der Bauarbeiten und bei der Suche nach geeigneten Förderern
und Nutzern des alten Herrenhauses. Dann hatten wir - nach den
vielen Eindrücken und Informationsfluten des Vormittags -
eine Stärkung nötig und labten uns beim Mittag-essen
im Gasthaus Zschäck in Kürbitz.
Am Nachmittag ging es dann nach Rodersdorf, das
genau so wie unser nächstes Ziel Thossen, der evangelischen
Kirchengemeinde Weischlitz-Kürbitz angeschlossen ist. Das
Rodersdorfer Kirchlein birgt mehrere Schätze. Zum einen ein
kunstvoll gesticktes Altartuch, welches aus dem Besitz des 1632
bei Lützen gefallenen Schwedenkönigs Gustav Adolf auf
verschlungenen Wegen nach Rodersdorf gelangte und der Kirche zum
Namen "Gustav-Adolf-Kirche" verhalf. Zum anderen die
ländliche Barockausstattung aus der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts mit Kastengestühl, einer umlauf-enden Empore,
originellem Kanzelaltar und der hinter demselben aufgestellten
Orgel. Und gerade diese Orgel hatte es uns besonders angetan,
wurde sie doch 1698/99 in der Werkstatt des Marktleuthener Orgelmachers
Georg Franz Purucker gefertigt und zu Pfingsten 1699 von Marktleuthen
nach Rodersdorf gebracht und dort aufgestellt. Das heutige Innenleben
des Instruments entstand allerdings erst 1937 und da es sich -
wie einst auch vor der letzten Kirchenrenovierung in Marktleuthen
- um eine "elektropneumatische Traktur" handelt, befindet
sich der Spieltisch an ganz anderer Stelle, wie die Orgel selbst.
An diesem zweimanualigen Spieltisch nahm nun unser Organist Hartwig
Küspert platz und demonstrierte uns den Unterschied zwischen
dem vollen Klang des "Barockorgelwerks" in Kürbitz
und dem "romantischen Orgelwerk" in Rodersdorf, das
auch zu ganz feinen, sanften Tönen fähig ist.
Einen besonderen Höhepunkt erlebte die Exkursion in Thossen.
Die dortige Martins-kirche stammt im Kern noch aus dem 13. Jahrhundert.
Und an der Ostwand des Langhauses haben sich eine sehr archaische
Darstellung des Weltgerichts aus der Bauzeit des Kirchleins sowie
andere, bis in das 14. Jahrhundert hinein entstandene Wandmalerein
erhalten. Die 1954 freigelegten Wandgemälde gelten als die
frühesten bildlichen Darstellungen im Vogtland. Im Chor -
dessen Triumphbogen ebenfalls mit geheimnisvollen Wesen ausgemalt
ist - prangt wieder ein spätgotischer Schnitzaltar aus der
Zeit um 1520. Die Thossener Orgel ist modern; unser Organist gab
darauf Variationen von Bach und dem Frühlingslied "Geh
aus mein Herz" zum Besten.
In Kauschwitz erwartete uns Pfarrer Kreßler
aus dem benachbarten Syrau, zu dessen Kirchspiel auch die in einem
mittelalterlichen Wehrturm eingerichtete Kirche gehört. Der
zum Rittergut Kauschwitz gehörige runde Wehrturm liegt auf
einer Insel inmitten eines ausgedehnten Teiches, der anscheinend
einst auch das benachbarte Ritterguts-gebäude als wasserbefüllter
Graben umgeben hat. Wie uns Pfarrer Kreßler berichtete,
war der Rittergutsbesitzer Adam Friedrich von Watzdorff erblindet
und hatte, nachdem ihm das Augenlicht wieder geschenkt worden
war, aus Dankbarkeit den alten Wehrturm in eine Kirche umgestalten
lassen. Dem walzenförmigen Turm war ein Treppenhaus mit Herrschaftsoratorium
angefügt worden, die Zwischendecken wurden herausgerissen
und die alten Schlitzfenster wurden zu großen rechteckigen
Fenstern erweitert. Im Inneren erhielt das Kirchlein einen Kanzelaltar,
darüber ein großes Ölgemälde mit der Himmelfahrt
Christi sowie zwei übereinander umlaufende Emporen. Gegenüber
dem Altar, über dem Eingang, befindet sich die einstige Herrschaftsempore
mit der außen angebrachten Weiheinschrift, wonach die neu
errichtete Kirche am 3. Juni 1764 durch den Plauener Superintendenten
Dr. Georg Friedrich Strantz geweiht worden ist. Darüber das
von drei musizierenden Engeln bekrönte Orgelprospekt, wobei
der mittlere, auf zwei Kesselpauken trommelnde Engel, ob seiner
Dynamik als besonders eindrucksvoll erscheint. Die Orgel war 1770
von dem Adorfer Orgelbauer Johann Gottlieb Trampeli geschaffen
worden. Das historische Prospekt enthält heute aber ebenfalls
ein elektropneumatisches Orgelwerk, das unser Organist vom Spieltisch
in der einstigen Herrschaftsempore aus zum Klingen brachte.
Letztes Ziel der Reise war Straßberg; an
Stelle der 1576 durch den Patronatsherren Joachim von Reibold
errichteten Kirche, erhob sich einst die Burg der Vögte von
Straßberg. Diese - 1194 zum ersten Mal urkundlich genannt
- beherrschten noch vor den Weidaern als kaiserliche Beamte das
Reichsgut zwischen dem Egerland, dem Regnitzland und dem eversteinischen
Dobnagau. Ihr herrschaftliches Rückgrat bildeten die beiden
Burgen Straßberg und Voigtsberg ob Oelsnitz. Als Herren
von Vogtsberg hatten sie bis 1321 die Burg Wunsiedel inne und
waren als Raubritter gefürchtet. 1280 befand sich die damals
schon zerstörte Burg Straßberg bereits in den Händen
der aus den Weidaern hervorgegangenen Vögte von Plauen und
Gera.
Die Kirche in Straßberg ist in reinen Renaissance-Formen
errichtet worden; der Kanzelaltar und die von Johann Gottlob Trampeli
geschaffene Orgel, entstanden allerdings erst in den Jahren 1802
bis 1804 in klassizistischem Stil. Die Orgel, auf der Hartwig
Küspert das Luther-Lied "Ein feste Burg ist unser Gott"
intonierte, enthält noch das historische Orgelwerk Trampelis,
das - wie uns Pfarrer Matthias Schnabel berichtete - nach der
Wende aufwändig restauriert worden ist. Auch in Straßberg
haben sich die Fragmente eines Schnitzaltars aus der Zeit um 1500
erhalten, der neben einem schönen klassizistischen Kachelofen
im nördlichen Seitenschiff aufgestellt ist. Auch hier waren
wohl wieder Hofer Schnitzer am Werk gewesen. Ein ebenfalls in
der Kirche aufgehängtes sehr bewegtes und qualitätsvolles
Geißelungsrelief zeigt Ähnlichkeiten zu den Werken
Tilmann Riemenschneiders. Im imposanten "Westwerk" der
Kirche konnten wir schließlich noch ein prächtig ausstuckiertes
Herrschaftsoratorium und eine darüber liegende kleine Wohnung
mit mehreren Zimmern besichtigen, die von der Patronatsherrschaft
wohl auch bei Jagdaufenthalten genutzt wurde, besichtigen.
Ihren Abschluß fand die ereignisreiche Rundfahrt bei einem
zünftigen Abendessen in Kürbitz. Die Exkursionsteilnehmer
zeigten sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der Exkursion und
bedankten sich besonders bei Hans-Jürgen Voigt, dem es gelungen
war, uns seine Heimat sachkundig und kurzweilig näher zu
bringen und bei unserem Organisten Hartwig Küspert, der es
mit pädagogischem Einfühlungsvermögen und virtuosem
Orgelspiel verstanden hat uns die ihm vorher ebenfalls ganz unbekannt
gewesenen Orgeln vorzustellen und in ihre Klangwelt eintauchen
zu lassen. Mit unserer Heimkehr nach Marktleuthen gegen 21.30
Uhr war ein ereignisreicher Samstag zu Ende gegangen. Das Wagnis
hatte sich gelohnt!
Harald Stark |
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