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Busexkursion des Arbeitskreises für
Heimatforschung Marktleuthen 2007:
Das Schlachtfeld von Jena 1806
Die Folgen der vor etwas mehr als 200 Jahren bei Jena und Auerstedt in
Thüringen geschlagenen Schlachten veränderten die politische Lage in Europa so
nachhaltig, dass ihre Folgen - gerade in unserer oberfränkischen Heimat - bis
heute zu spüren sind: Das preußische Herr erlitt von Napoleon eine dermaßen
vernichtende Niederlage, dass der preußische Staat für einige Jahre von der
Landkarte verschwand. Das vormalige Fürstentum Brandenburg-Kulmbach, seit 1792
eine preußische Provinz, kam für vier Jahre unter französische Herrschaft und
wurde schließlich 1810 dem Königreich Bayern einverleibt.
Am 1. September nahmen 45 Geschichtsinteressierte die Spur auf und folgten in
etwa der Route über Hof, Schleiz und Gera, auf der sich vor zwei Jahrhunderten
die rechte Marschkolonne des französischen Heeres dem Schlachtfeld näherte. Das
erste Ziel dieses Tages war das "Museum 1806" in
Jena-Cospeda,
wo uns unser Führer, Herr Queisser vom "Institut zur militärgeschichtlichen
Forschung Jena" bereits erwartete. Von der durch das tief eingeschnittene
Mühltal in Richtung Weimar verlaufenden Bundesstraße 7 mühte sich unser Bus
über enge Haarnadelkurven das steile Rosental hinauf. Dennoch lässt die heutige
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Beim Napoleonstein auf dem Windknollen
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Straße kaum noch die Mühen erahnen, die es die Franzosen kostete, als sie in
der Nacht zu jenem verhängnisvollen 14. Oktober 1806 die mehr als 50 Zentner
schweren Geschütze ihrer schweren Artillerie durch die engen, steinigen
Hohlwege hinauf auf die Hochfläche westlich des Saaletales zogen, wo Truppen
der verbündeten Preußen und Sachsen lagerten.
Anhand des im Museum in Cospeda reichlich vorhandenen Kartenmaterials
erläuterte Herr Queisser die politischen und militärischen Ereignisse, die zu
den Schlachten von Jena und Auerstedt führten und den Verlauf der in mehreren
Einzelgefechten verlaufenen Auseinandersetzungen selbst. Danach machten wir uns
auf den Fußmarsch zu dem etwa einen Kilometer entfernten
Napoleonstein
auf dem sich etwa 200 Meter über dem Saaletal bei Jena erhebenden Windknollen.
Hier hatte Napoleon noch am Abend des 13. Oktober das Gelände und die
feindlichen Stellungen rekognosziert und ließ noch in der Nacht seine bereits
in Jena einrückenden Soldaten und die Artillerie auf die Höhe des
Landgrafenberges bringen. Unweit des Napoleonsteines hatte der Kaiser die Nacht
im Biwak inmitten seiner Truppen verbracht. Am nächsten Morgen eröffneten das
V. Corps des Marschalls Lannes bei dichtem Nebel den Angriff auf Detachement
des Generalmajors Tauentzien. Da der preußische Oberbefehlshaber, Fürst
Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen, der im Wasserschloss Kapellendorf
sein Hauptquartier hatte, trotz der ihm in der Nacht gemeldeten französischen
Truppenbewegungen nicht mit einem Angriff des Feindes rechnete, wartete General
Tauentzien vergeblich auf Verstärkung. Er hatte sich trotz des Befehls, sich
bei Feindberührung auf kein Gefecht einzulassen, tapfer gewehrt. Dennoch
konnten seine rund 8000 Preußen den auf sie einstürmenden 22.000 Franzosen des
Corps Lannes nicht standhalten. Ihm blieb nichts weiter übrig, als den
strategisch wichtigen Dornberg, dessen Anhöhe einen weiten Teil des Jenaer
Schlachtfeldes dominiert, zu räumen.
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Der Weg des Marschalls Lannes zum Dornberg
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Hier nun formierte Napoleon seine Truppen zum Angriff auf das Zentrum der von
preußischer Kavallerie verstärkten Infanteriedivision Grawert, die zwischen
Isserstedt, Vierzehnheiligen und Krippendorf aufgestellung genommen hatte. Den
hier zahlenmäßig noch überlegenen Preußen gelang es zunächst den französischen
Angriff noch zu stoppen. Anstatt jedoch die genannten Dörfer besetzen zu
lassen, befahl General von Hohenlohe die Gefechtsfront in Gewehrschußweite vor
denselben zu bilden. So konnten die Franzosen an den mit Gebüsch bewachsenen
Ortsrändern Deckung suchen, während die Preußen im offenen Gelände rund zwei
Stunden unter dem Feuer des Gegners standen.
Inzwischen war es den Truppen des Marschalls Soult gelungen, die bei Rödigen
stehenden Verbände des Generalleutnants Holtzendorf zu schlagen und der
Infanteriedivision Grawert in die Flanke zu fallen. Am frühen Nachmittag traten
daraufhin zunächst einzelne Bataillone und schließlich ganze Regimenter
derselben die Flucht in Richtung Kapellendorf an, wodurch der Ausgang der
Schlacht bei Jena eigentlich bereits entschieden war.
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Das Bissing-Denkmal bei Rödigen
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Wir waren nach unserem Spaziergang zum Napoleonstein mit dem Bus in Richtung
Dornberg aufgebrochen. Unterwegs erklärte uns Herr Queisser die
Truppenbewegungen der damaligen Kriegsgegner. Die alte Bockwindmühle bei
Krippendorf, die Napoleon beim Gefecht um Vierzehnheiligen als
Orientierungspunkt gedient hatte, ist leider im Januar dieses Jahres dem Sturm
Cyrill zum Opfer gefallen, soll aber wieder aufgebaut werden. Von Krippendorf
aus fuhren wir zunächst über Lehesten, wo unser Führer auf das ehemalige
Deutschordensschloss hinwies, zum
Bissing-Denkmal
auf dem Schlachtfeld bei Rödigen. Der hier gefallene Premierleutnan des
sächsischen Chevauxléger-Regiments Prinz Clemens, August von Bissing, wurde
erst drei Tage nach der Schlacht völlig ausgeplündert von Bauern gefunden. Wie
uns Herr Queisser erzählt, begruben ihn diese an Ort und Stelle, nachdem sie
ihm auch noch seine mit Monogramm bestickten Socken ausgezogen hatten. Seine
verzweifelte Frau begab sich auf die Suche nach ihrem bei Jena vermissten
Gemahl und konnte sein Grab anhand der von den Bauern gefundenen Socken
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Die Kirche von Vierzehnheiligen
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identifizieren. Sie ließ ihm 1858 ein kostspieliges Grabdenkmal errichten,
starb jedoch auf der Reise zur Denkmaleinweihung und fand auf diese Weise ihre
letzte Ruhe neben ihrem hier 52 Jahre zuvor zu Tode gekommenen Ehemann.
Vor der Kirche von
Vierzehnheiligen
befindet sich das am 14. Oktober 1906 zum 100. Jahrestag enthüllte Hauptdenkmal
für die Schlacht bei Jena. Hier hatten wir nicht nur die Gelegenheit, das
Denkmal zu betrachten, sondern auch die Kirche zu besichtigen, die 1453 als
Wallfahrtskirche im Auftrag Herzog Wilhelms III. von Sachsen errichtet worden
ist. Von der mittelalterlichen Ausstattung hat sich nur noch die Altarmensa und
die reliefierte Platte der Sakramentsnische erhalten. Der nach Süden
vorgeschobene Chor war 1801 angebrochen worden. Den halb vermauerten Chorbogen
schmückt heute ein gründerzeitliches Glasgemälde, das Christus als
Weltenrichter darstellt. Die zu DDR-Zeiten stark reduzierte Ausstattung des
Gotteshauses entstammt der Zeit um 1900.
Nach dem Mittagessen in Isserstedt ging es auf den
Sperlingsberg
bei Kapellendorf, wo dem von Weimar kommenden, etwa 15.000 Mann starken
preußischen Korps des Generals von Rüchel gegen 13.00 Uhr die vom Schlachtfeld
bei Vierzehnheiligen flüchtenden Kameraden entgegen kamen. Anstatt bei
Kapellendorf eine vorteilhafte Stellung zu beziehen, befahl General Rüchel
gegen 14.00 Uhr den Angriff hangaufwärts gegen den Sperlingsberg in Richtung
Großromstedt. Der Angriff traf auf das den flüchtenden Preußen nachsetzende
französische Hauptheer und wurde innerhalb einer halben Stunde unter
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Das Wasserschloss Kapellendorf
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fürchterlichen Verlusten zurückgeschlagen, wodurch die Niederlage der Preußen
bei Jena endgültig wurde. Herr Queisser erläuterte uns die damaligen
Ereignisse, an die ein 1907 eingeweihter, zwölf Meter hoher Turm im Stil der
Bismarcktürme erinnert. Nachdem wir den Blick vom Sperlingsberg auf das im Tal
liegende
Kapellendorf
genossen hatten, ging es hinunter in den Ort um die alte Wasserburg zu
besichtigen, in welcher der Oberbefehlshaber der preußischen Truppen, Fürst von
Hohenlohe, sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
Im Zentrum der relativ kleinen, wohl im 12. Jahrhundert errichteten steinernen
Niederungsburg stand ein mächtiger, aus Buckelquadern errichteter runder
Bergfried, von dem sich ein rund zwei bis drei Meter hoher Stumpf bis heute
erhalten hat.. Dieser war von einer dicken, aus glatten Quadern erbauten
Ringmauer umgeben, an deren Nordseite sich innen noch in Resten erhaltene Wohn-
und Wirtschaftsgebäude anlehnten.
Als älteste Besitzer der Burg Kapellendorf erscheinen die Burggrafen von
Kirchberg. 1348 ging Kapellendorf in den Besitz der Stadt Erfurt über, die wohl
bald nach dem Erwerb die dem alten Bergfried westlich benachbarte gotische
Kemenate errichten ließ. Der heutige Innenausbau mit einfachen, auf aus der
Wand ragenden Kragsteinen und auf einem Mittelunterzug mit Säule ruhenden
Holzbalkendecken, stammt wohl aus dem 17. Jahrhundert. Er weist auf den
damaligen Gebrauch des Gebäudes als Getreideschüttboden hin. Heute befindet
sich im Parterre eine Ausstellung zum Schlachtgeschehen im Jahr 1806. Darüber
ist eine Ausstellung über Thüringer Burgen mit einem interessanten Modell der
Kyffhäuserburgen untergebracht. Das dritte Obergeschoss fällt durch seine
großen, gotischen Kreuzstockfenster auf. Hier befanden sich sicherlich einst
die Repräsentationsräume der Burg und auch heute wird der sogenannte Rittersaal
als Raum für Konzerte und ähnliches genutzt. Eine spitzbogige Tür führt von
hier aus auf den Wehrgang der inneren Ringmauer, der noch einige Meter begehbar
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Der mittelalterliche Kern des Wasserschlosses
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ist und dem Fotografen einige schöne Motive bietet. Die 5. Etage der Kemenate
war ein früher zinnenbewehrtes Wehrgeschoss, dass leider nicht zugänglich
gewesen ist.
Im 15. Jahrhundert wurde die Burg von einer weiteren Ringmauer mit mehreren
viereckigen Halbschalentürmen umgeben. Im Süden und Westen entstanden im 16.
und 17. Jahrhundert weitere Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie ein neues
Torhaus. Viele Exkursionsteilnehmer nutzten die verbleibende Zeit nach der
Besichtigung des Museums in der Kemenate, um sich in der "Burgklause" mit
leckeren selbstgebackenen Kuchen und Kaffee zu stärken.
Nun ging es über Isserstedt zur
"Schnecke".
Hier wo sich einst die alte Straße in ausgedehnten Serpentinen in Richtung
Weimar den Berg hinauf wand, waren sächsische Truppen, die mit den Preußen
verbündet waren, von den Franzosen am frühen Nachmittag jenes 14. Oktober 1806
vernichtend geschlagen worden. Von hier aus ging es nun durch das Mühltal
zurück nach Jena, wo jeder anderthalb Stunden Zeit hatte, sich auf eigene Faust
die Stadt anzusehen oder Bekanntschaft mit der örtlichen Gastronomie zu machen.
Pünktlich um 18.00 Uhr brachen wir zur Heimreise auf. Den ganzen Tag war es
zwar bewölkt gewesen; Regentropfen empfingen uns jedoch erst, als wir kurz von
20.00 Uhr wieder in die Heimat kamen.
Harald Stark
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