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Fahrt des Arbeitskreises für Heimatforschung
Marktleuthen am 5. September 2004
zur "Wiege der Vögte von Weida"
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Abb. 1: Das Wappen der Vögte
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Als Marktleuthen 1314 seine erste urkundliche Erwähnung fand, stand die
Siedlung "Leuken", wie unser Heimatort damals genannt wurde, unter der
Lehensherrschaft des Vogtes Heinrich d. Ä. von Plauen. Diesen Umstand nahm sich
der Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen zum Anlaß, seine Busexkursion
2004 zur "Wiege der Vögte" in Ostthüringen zu unternehmen. Die erste
Anlaufstelle, die St. Veitskirche in Wünschendorf, erreichten die 40
Exkursionsteilnehmer erst nach Überwindung einiger Schwierigkeiten: Von der
einen Richtung verwehrte eine nur 2,90 Meter hohe Bahnunterführung unserem
Omnibus die Durchfahrt; die zweite Anfahrtsstraße führt über eine historische,
nur bis zu 3 Tonnen belastbare und dazu noch überdachte Holzbrücke. So blieb
nur der dritte - vom Vorsitzenden Harald Stark bereits bei einer „Vortour“
ausgekundschaftete - Weg, welcher laut Ausschilderung jedoch eine Engstelle
von 2 Metern aufwies - und unser Bus war 2,50 Meter breit! Wir wählten die
letztere Strecke und befanden, dass die Engstelle eine Breite von mindestens 3
Metern hatte und deswegen mit einiger Vorsicht seitens unseres Busfahrers
bequem zu passieren war.
St. Veit in Wünschendorf
So kamen wir ohne weitere Zwischenfälle zur Urkirche des späteren
„Reußenlandes“, der Veitskirche in Wünschendorf. Wie Pfarrer Schulze - der uns
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Abb. 2: Blick in die Ottonische Burgkapelle
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mit der berühmten Toccata und Fuge in „C“ von Johann Sebastian Bach in „seiner“
Kirche Willkommen geheißen hatte - erzählte, spielte das um 974 als Burgkapelle
entstandene Gotteshaus bei der Missionierung der um das Elstertal ansässigen,
meist slawischen Bevölkerung, eine wichtige Rolle. Diese Kapelle hat sich in
der heutigen, mit einem ottonischen, also vorromanischen, Kreuzrippengewölbe
geschlossenen Taufkapelle bis in die Gegenwart erhalten. Die vier Konsolen des
Gewölbes sind als geheimnisvolle, teilweise von Zahn der Zeit schon sehr
zernagte Gesichter ausgebildet, die Pfarrer Schulze als die der vier
Evangelisten deutete. Ein zugesetzter Rundbogen an der Ostseite deutet die
Stelle an, wo sich früher der Kapellenraum zur halbrunden Apsis hin öffnete.
Im frühen 12. Jahrhundert erscheint der aus der Gegend um Mühlhausen stammende
Erkenbert I.
„de Withaa“
(1122 - 1143) als königlicher Verwalter des Gebietes um die Weiße Elster und
ließ sich in der alten Burg auf dem Veitsberg nieder. Sein Sohn Erkenbert II.
(1143 - 1163) verließ den Veitsberg und nahm seinen Sitz in der von ihm
gegründeten Stadt Weida. Zu dieser Zeit wurde die alte Burgkapelle durch den
Anbau eines romanischen Langhauses erweitert und diente fortan als Pfarrkirche
der Gemeinde Wünschendorf. Schon um 1170 wurde das alte Gotteshauses durch eine
im Süden angefügte gotische Halle mit gewölbtem 5/8 Chor erweitert. Im
Südfenster des hohen Chores befinden sich heute zwei Glasbilder aus der Zeit um
1168, Christus und König David darstellend, bei denen es sich um die ältesten,
in Deutschland erhaltenen farbigen Glasfenster handelt! Als weiterer
bedeutender Ausstattungsgegenstand der Veitskirche währe der um 1480
entstandene spätgotische Schnitzaltar mit der hl. Maria im Mittelschrein und
den hl. Katharina und Barbara auf den Seitenflügeln zu nennen, der in der
Reformationszeit durch den Aufsatz einer Christusfigur „evangelisiert“ wurde.
Weida - Osterburg und Kuchenmarkt
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Abb. 3: Das Flüßchen Weida und die Osterburg
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Vor der Osterburg in Weida wurden wir von Herrn Kurt Häßner erwartet, der den
Vorsitzenden Harald Stark bei der Organisation der Fahrt unterstützt und die
Führung durch die Weidaer Burg übernommen hatte. Der steile Aufstieg zog unsere
Gruppe ziemlich auseinander; als wir dann alle ziemlich keuchend im Burghof
versammelt waren, informierte uns unser „Begleiter“ von jüngsten
Ausgrabungsergebnissen im Keller des Alten Schlosses, die schon auf eine
Besiedlung des Berges vor der Anlage der heutigen Osterburg schließen ließen.
Heinrich I. von Weida (1130 - 1172), der Bruder Erkenberts II., gilt als der
Gründer der heutigen Burganlage. Deren ältester Bestandteil ist der markante
Bergfried, der zu den ältesten seiner Art in Deutschland zählt. An Stelle des
heutigen „Alten Schlosses“ stand wohl der romanische Palasbau; der jedoch dem
um 1480 entstandenen Bau des „Alten Schlosses“ vollständig weichen musste. Mit
Heinrich I. von Weida setzte auch eine Tradition ein, die wohl von keinem
anderen Dynastengeschlecht in Deutschland so konsequent durchgehalten wurde,
wie bei Heinrichs Nachkommen: Alle männlichen Glieder des Hauses erhielten den
„Leitnamen“ Heinrich.
Heinrich II. von Weida (1174 - 1209) gelang es den bisher eng umrissenen
Besitzstand seiner Familie erheblich zu vergrößern, weshalb ihm die Nachwelt
den Beinamen „der Reiche“ zufügte. Durch seine Gemahlin, Markgräfin Berta von
Giengen-Vohburg, erhielt er Lehen im Regnitzland und spätestens jetzt erwarb er
auch die Reichsvogtei im Regnitzland, von welcher sich der Vogtstitel der
Familie ableitet. Die Landesherrschaft über das Regnitzland, welches sich von
Hof bis zum Nordmassiv des Fichtelgebirges und in das Münchberger Becken hinein
erstreckte, fiel nach dem Aussterben der Markgrafen von Giengen-Vohburg (+
1209) an die Herzöge von Andechs-Meranien. Nach dem Tode des letzten
Andechs-Meraniers (+ 1248) betrachteten sich die hohenzollerischen Burggrafen
von Nürnberg als die rechtmäßigen Erben des Regnitzlandes. Daraus entspann sich
ein langwieriger Streit zwischen den Vögten und den
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Abb. 4: Das Alte Schloß und der Bergfried
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Burggrafen von Nürnberg, der erst 1373 durch den Verkauf der Stadt Hof und des
heutigen „bayerischen Vogtlandes“ an die Hohenzollern beendet wurde. Heinrich
der Reiche und seine Gemahlin Bertha stifteten schließlich 1193 das
Prämonstratenserkloster Mildenfurth, in dem sie auch ihre letzte Ruhe fanden.
Unter ihren Söhnen fand 1234 die große Teilung des zwischenzeitlich umfangreich
gewordenen Besitzes statt, aus welcher die Linien der Vögte von Weida, von Gera
und von Plauen hervorgingen. Heinrich IV., der in der Landesteilung die Vogtei
Gera und die Pflege Reichenfels erhalten hatte, trennte sich von seiner
Gemahlin Jutta und machte Karriere beim Deutschen Orden in Preußen, während
seine bisherige Ehefrau in das von ihr gegründete Dominikanerinnenkloster
Cronschwitz eintrat und dort von 1251 bis zu ihrem Tod 1268 als Priorin wirkte.
Heinrich V., der 1234 Greiz und Reichenbach erhalten hatte, nannte sich 1240
Vogt von Greiz, starb jedoch kinderlos, so dass sein Besitz an die Söhne seiner
Brüder verteilt wurde. Infolge erheblicher Verschuldung ging der vögtische
Stammbesitz um Weida in den Jahren zwischen 1404 bis 1427 an die Markgrafen von
Meißen über und die Osterburg diente fortan als Sitz wettinischer Amtmänner.
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Abb. 5: Das Neue Schloß
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Wie Herr Häßner berichtete, war die alte Burg der Vögte beim Übergang an die
Wettiner wahrscheinlich schon sehr baufällig gewesen. Um 1480 entstand an
Stelle des dem Bergfried benachbarten Palasbau das heute sogenannte „Alte
Schloß“. Bei der Leipziger Teilung 1485 wurde Weida dem thüringischen
Landesteil zugeschlagen und erhielt Herzog Ernst zum Landesteil. Um 1537
begannen die Wettiner wiederum mit umfangreicher Bautätigkeit auf der Weidaer
Burg, die nun eine Erweiterung und Umgestaltung im Renaissancestil erfuhr. Im
Schmalkaldischen Krieg wurde sie 1547 kampflos übergeben um eine Zerstörung zu
vermeiden.
1633 besetzten kaiserliche Truppen des Feldmarschall-Lieutenants v. Hatzfeld
die Osterburg und steckten es „an sechs Enden“ in Brand. Nach dem
Dreißigjährigen Krieg wollte der Wiederaufbau der Osterburg nicht so richtig in
Gang kommen. Erst Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz forcierte um 1667 die
Bauarbeiten. 1671 erhielt das wiedererrichtete „Neue Schloß“ eine kunstvoll
gearbeitete Holztreppe, die 1823 ausgebaut und in die
Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek nach Weimar gebracht wurde. Wie unser Führer,
Herr Häßner, wusste, wurde sie bei dem verheerenden Brandunglück vor einigen
Tagen allerdings nicht beschädigt.
Heute birgt die Osterburg ein recht interessantes Heimatmuseum und eine moderne
Kunstgalerie, die nun ausgiebig besichtigt wurden. Besonderes Interesse erregte
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Abb. 6: Die Stadtpfarrkirche St. Marien
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eine Lichtinstallation in den Untergeschossen des Bergfrieds, bei denen die
Besucher in gespenstisches Licht getaucht wurden. Nachdem einige über enge
Wendeltreppen auch die oberen Teile des Bergfrieds erklommen und dort den
herrlichen Rundblick genossen hatten, meldete sich der Hunger zu Wort.
Weida ist weithin für seine lange Backtradition bekannt und alljährlich im
September wird unter den Weidaischen Hausfrauen die beste Kuchenbäckerin zur
„Weid’schen Kuchenfrau“ gekürt. Unser Besuch in Weida fiel nun prompt mit dem
Kuchenmarkt zusammen und auf dem Marktplatz gab es zahlreiche Stände, an denen
die verschiedensten Köstlichkeiten angeboten wurden. Rund zwei Stunden standen
den Exkursionsteilnehmern zur freien Verfügung um sich die Spezialitäten der
„Kuchenweide“ schmecken zu lassen und die schöne Altstadt Weidas auf eigene
Faust zu erkunden.
Am Nachmittag stand unser Bus vor der Stadtkirche St. Marien zur Abfahrt
bereit. Wir
benutzten die Gelegenheit, noch einen kurzen Blick auch in dieses Gotteshaus zu
werfen. Um 1267 hatten sich in Weida Franziskanermönche angesiedelt, die um
1350 damit begannen, die heutige Evangelisch-Lutherische Stadtkirche als
Klosterkirche zu errichten. Der Ordensregel entsprechend blieb der Bau ohne
Kirchturm und noch heute laden die Kirchtürme der nach den Zerstörungen des
Dreißigjährigen Krieges nicht wieder aufgebauten Wiedenkirche in der Altstadt
und Peterskirche in der Neustadt die Gläubigen zum Gottesdienst. Die
Ausstattung stammt aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Besonders zu
erwähnen ist noch ein aus der Wiedenkirche hierher übertragenes Wandgemälde aus
dem frühen 13. Jahrhundert, das Maria auf dem Sterbebett darstellt.
Mildenfurth
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Abb. 7: Mildenfurth
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Das letzte Ziel des Tages war das ehemalige Prämonstratenserkloster
Mildenfurth, das unmittelbar in der Nachbarschaft zu der am Vormittag
besichtigten St.-Veits-Kirche liegt. Wie schon erwähnt, wurde das Kloster 1193
durch den Vogt Heinrich II. von Weida und dessen Gemahlin Berta als Hauskloster
und Grablege gestiftet. Besiedelt wurde das Kloster von
Prämonstratenser-Chorherren aus dem Magdeburger Stift Unserer Lieben Frauen.
Aufgrund des Verlustes des Klosterarchives lassen sich zur Baugeschichte der
Kirche nur am Gebäude selbst gewonnene Aussagen tätigen. Danach dürfte um 1200
mit dem Bau des Chores begonnen worden sein; die Fertigstellung des
Westportalriegels liegt in der Zeit um 1250. An das dreischiffige Langhaus der
Kirche schloss sich ein Querhaus mit jeweils zwei den Hauptchor flankierenden
Nebenchören an. Die drei Chorhäuser wurden im Osten durch jeweils eine
halbrunde Apsis geschlossen.
Mit Weida und der Osterburg wechselte auch das Kloster Mildenfurth im frühen
15. Jahrhundert
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Abb. 8: Das Westportal der Klosterkirche
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in die Herrschaft der Wettiner. Nachdem sich der sächsische Landesherr schon
1521 zur lutherischen Lehre bekannt hatte, hielten die Chorherren den
Klosterbetrieb noch bis 1529 aufrecht, dann wurde der Klosterbesitz unter
weltliche Administration gestellt und die Seelsorge lutherischen
Weltgeistlichen anvertraut. Bis 1556 wurde die ehemalige Klosterkirche zum
Gottesdienst benutzt. Schon 1543 hatte Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige
dass ehemalige Klostergut an seinen Rat und Festungshauptmann in Coburg,
Matthes von Wallenrod, veräußert. Dieser begann 1556 mit dem Umbau der alten
Klosterkirche in ein Renaissance-Schloß. Für den Schloßbau ließ er die beiden
westlichen Joche des Langhauses und beide Seitenschiffe bis zum Querhaus bis
auf den Grund abtragen. Im Inneren des verbliebenen Torsos ließ er
Zwischendecken einziehen und schuf so ein eigentümliches architektonisches
Konglomerat, das die Einzigartigkeit dieses Gebäudes ausmacht. Von den übrigen
Klostergebäuden hat sich außer der wehrhaften, mit Rundtürmen an den Ecken
bewehrten, viereckigen Ringmauer noch das später zum Brauhaus umgenutzte
Refektorium mit einem Flügel des gotischen Kreuzganges erhalten.
Heute dient der 1995 der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten übertragene
Gebäudekomplex dem Bildhauer Volkmar Kühn zur Präsentation seiner Objekte. Er
führte uns durch das Erdgeschoss des recht sanierungsbedürftigen
Schloßgebäudes, in dem eine kleine Ausstellung über Baugeschichte und
Architektur des ehemaligen Klosters untergebracht ist, sowie in die im 16.
Jahrhundert eingebauten Kellerräume, in denen er Teile seines Kunstschaffens
präsentiert.
Ihren Abschluss fand die informative und ereignisreiche Fahrt bei einem
gemeinsamen Abendessen im Gasthof Vogel in Rudolphstein bei Hof. Gegen 21.00
Uhr kamen wir planmäßig zurück nach Marktleuthen.
Harald Stark
Abb. 9:
Der Arbeitskreis für Heimatforschung
in der Osterburg in Weida
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