Am Anfang standen Mord und Totschlag ...
Den herrlichen Herbstnachmittag am Samstag den 18. Oktober nutzten
rund 20 Interessierte aus Marktleuthen und Umgebung um sich von
Harald Stark, dem 1. Vorsitzenden des Arbeitskreises für
Heimatforschung Marktleuthen, durch die Geschichte und den historischen
Ortskern der Egerstadt führen zu lassen. Wie die aufmerksamen
Hörer auf der sonnenbestrahlten Treppe zum Portal der St.-Nikolaus-Kirche
berichtet bekamen, stand am Anfang der urkundlich beleuchteten
Geschichte Marktleuthens ein Mord: Ritter Konrad von Haslau, hatte
testamentarisch Güter in "Leuken" - so hieß
unser Heimatort damals - dem Kloster Waldsassen vermacht. Da die
Mönche nicht lange auf ihr Erbe warten wollten, ließen
sie den armen Ritter kurzerhand erschlagen! Das war im Jahr 1314.
Vierzig Jahre später kam der Waldsassener Besitz in "Leuken"
in die Hände des Thiersteiner Burgherrn Albrecht Notthafft.
Vor 1368 ließ dieser die kleine Siedlung, die vorher nur
aus der Kirche und den Wohnungen des Pfarrers, eines Jägers
und eines Fischers bestanden hatte, um 24 Höfe und Herbergen
sowie eine Mühle erweitern.
Vor dem Rathaus
Nach dieser Einführung in die Marktleuthener Geschichte,
wandte sich Stark dem Rathaus zu. Wie er erzählte, war neben
dem Pfarrer seit dem späten 15. Jahrhundert in Marktleuthen
auch ein Frühmesspriester tätig. Dieser wohnte in einem
Haus, das an Stelle des heutigen Rathauses stand. Als Markgraf
Georg der Fromme von Brandenburg in seinem Land um 1530 die Reformation
einführte, bestimmte er auch die Aufhebung der bisher bestehenden
Meßstiftungen. Das Haus des Marktleuthener Frühmessers
sollte nach dem Willen des Fürsten in ein Rat-, Schul- und
Brauhaus umgebaut werden, in dem auch die Feuerlösch-Requisiten
und die Ausrüstung der Bürgermiliz Platz zur Unterbringung
finden sollten. Aus dem Bar- und Grundstücksvermögen
der Frühmeß-Stiftung sollte der Rathhausbau und der
Bau einer Wasserleitung zur Versorgung des Marktes mit Trinkwasser
finanziert und die Pfründe für die Besoldung des Schulmeisters
aufgebessert werden. Sein heutiges Aussehen erhielt das Marktleuthener
Rathaus durch einen weitgehenden Neubau des nördlichen Teils
im Jahr 1821, durch einen Erweiterungsbau nach Süden im Jahr
1882 und durch eine durchgreifende Renovierung in den Jahren 1978/79.
Nun ging es in den schmalen Hofraum zwischen Kirche und Rathaus,
wo ein besonderes Kleinod auf die Exkursionsteilnehmer wartete:
In die Wand der Kirche ist hier ein romanischer Kreuzstein eingemauert,
dessen im "Viernageltypus" dargestellter Corpus auf
eine Entstehung des Granitreliefs in der Zeit um 1200 hinweist.
Es handelt sich hierbei also um das älteste Steindenkmal
in Marktleuthen.
Die alte Marktleuthener "Umgehungsstraße": Der
Pestilenzsteig
Nun folgte die Gruppe ihrem Führer die Humboldtstraße
stadtauswärts bis zur Apotheke, wo von links der "Pestilenzsteig"
in die Straße einmündet. Wie Stark erzählte, war
Marktleuthen einst durch Wall und Graben sowie durch drei Torhäuser
geschützt. Waren die Tore in der Nacht oder in Kriegs- und
Seuchenzeiten geschlossen, benutzten die auf der alten Regensburg-Magdeburger-Straße
reisenden den "Pestilenzsteig" um den Markt zu umgehen.
Schaut man sich den schmalen Fußsteig heute an, so kann
man kaum glauben, dass er mindestens bis ins 18. Jahrhundert sozusagen
als "Umgehungsstraße" Marktleuthens gedient hat.
Am anderen Ende des Pestilenzssteiges machten wir dann vor dem
"Deutschen Haus" halt, das früher in Gemeindebesitz
war und als Hirten- und Armenhaus, im 19. Jahrhundert aber auch
als Krankenhaus diente, bis es im 20. Jahrhundert eine Gaststätte
und später das Sanitätskolonnenheim beherbergte. Von
hier aus ging es weiter zum Unteren Markt, wo einst knapp oberhalb
der Einmündung des Pestilenzsteiges das Kirchenlamitzer-
oder Bruck-Tor stand.
An der Eger
Vor dem heutigen Sanitätskolonnenheim an der Egerbrücke
machten wir den nächsten Halt; 1866 war dieses Gebäude
als Kommunbrauhaus errichtet worden. Nach dem Ende der Kommunbrauerei
um 1900 diente es dann bis 1989 als Feuerwehrgerätehaus.
Dann fiel unser Blick auf die Egerbrücke, heute eine Spannbetonbrücke,
die 1963 eines der Marktleuthener Wahrzeichen ersetzt hat: Die
alte historische Bogenbrücke über die Eger. Ein erster
steinerner Brückenbau mit drei Bögen ist schon 1542
von Caspar Bruschius in dessen Beschreibung des Fichtelgebirges
erwähnt worden. Diese Brücke wurde 1590 durch eine vierbogige
Steinbrücke ersetzt. Der 1963 abgebrochene sechsbogige Brückenbau
war schließlich 1766 erbaut und im 19. Jahrhundert schon
einmal verbreitert worden. Trotzdem war er der Verkehrslawine
der "modernen Zeit" nicht mehr gewachsen und wurde der
heutigen Betonbrücke geopfert. Das Ende des alten Wahrzeichens
brachte gleich zwei neue hervor, denn bei den damaligen Bauarbeiten
kam aus dem Flußbett der Eger ein mächtiges Steinkreuz
zu Tage, das an der stadtseitigen Auffahrt zur neuen Egerbrücke
aufgestellt wurde. Dieses spätmittelalterliche Rechtsdenkmal
erinnert wohl an einen in der Nähe begangenen Totschlag.
Das zweite neue Wahrzeichen Marktleuthens wurde 1967 an der Egerbrücke
aufgestellt: Das vom Bildhauer Rudolf Ostermeier in München
geschaffene "Roußmännl" steht seither auf
einem fünf Meter hohen Luisenburg-Granitfindling und dient
auch dem Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen sozusagen
als Wahrzeichen und Gallionsfigur.
Die Wurzeln Marktleuthens
Nun ging es durch die Färbergasse zur Badgasse, wo in früheren
Zeiten der Bader nicht nur für die Sauberkeit der Marktleuthener
sonder auch für deren Gesundheit sorgte. Nur wenige Schritte
waren es nun in den "Mühlhof" der Marktsmühle.
Sie ist identisch mit der 1368 erwähnten neu errichteten
Mühle und ist damit das älteste lokalisierbare profane
Gebäude im Markt. Wen wundert es, dass sich hier auch die
älteste Hausinschrift Marktleuthens befindet. Walter Brauner
entdeckte sie 1987; sie erinnert an Peter Mulner, der im Jahr
1558 der Besitzer der Marktsmühle war.
Gleich in der Nachbarschaft erhebt sich das laut der örtlichen
Überlieferung als "Burghaus" bekannte Gebäude.
Hier sollen einst drei edle Fräulein von Nothaft gewohnt
haben, welche die reiche Ausstattung der Pfarrpfründe stifteten.
Auf dem Bett des ebenfalls 1963 verfüllten Mühlgrabens
ging es dann zum "Tempel". Hierbei handelte es sich
wahrscheinlich um einen Turmhügel, also eine mittelalterliche
Befestigungsanlage, auf der 1811 ein Wohnhaus erbaut wurde. Dieses
heute als "Tempel" bezeichnete Gebäude hat den
großen Brand von 1843 unbeschadet überstanden und zählt
damit zu den ältesten Gebäuden im Markt.
Im "Hefferkleesviertel"
Nun folgte die Gruppe ihrem Führer zum einstigen Standplatz
des Neudeser Tores, das die Ortseinfahrt in der Straßenengstelle
bei der heutigen Schreinerei Menzel versperren konnte. Der historische
Röhrkasten, der einst das "Hefferkleesviertl" mit
Trinkwasser versorgte, wurde vor etlichen Jahren von der Familie
Menzel wieder aufgestellt. Gegenüber, bei der Einmündung
der Fleischgasse in die Angergasse, befanden sich einst die Fleischbänke
der Marktleuthener Metzger und das Schlachthaus. Daran angebaut
war die Röhrenremise, wo die Holzröhren, die zum Unterhalt
der Marktswasserleitung nötig waren, gebohrt und gelagert
wurden. Wenig oberhalb der Einmündung der Fleischgasse in
die Humboldtstraße befand sich schließlich das dritte
Tor des Marktes Leuthen, das Habnither Tor. Die Tore mussten schon
im frühen 19. Jahrhundert dem immer stärkeren Verkehrsaufkommen
auf der Regensburg-Magdeburger Straße weichen. Erst mit
der Eröffnung der Eisenbahnlinie Hof-Regensburg im Jahr 1877
verlor die durch Marktleuthen führende Fernstraße ihre
bisherige Bedeutung.
Wieder auf dem Markplatz zurückgekehrt endete der gut zweistündige
Stadtrundgang schließlich mit einer Besichtigung der St.-Nikolaus-Kirche.
Von dieser jedoch soll später mehr berichtet werden.
Harald Stark
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