Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

Wunsiedler Stadtdörfer auf einer größeren Karte anzeigen;
Die sieben Wunsiedler Stadtdörfer waren Reichslehen, die bei jedem neuen Reichsoberhaupt oder auch beim Wechsel des durch die Stadt bestellten Lehenträgers neu beantragt werden mussten, was für die Wunsiedler stets mit erheblichen Kosten verbunden war. Mit dem Preßburger Frieden von 1806 ging die Herrschaft über die bisherigen Reichslehen in Bayern an den frischgebackenen Bayerischen König über; dies galt bald darauf auch für die Reichslehen in den 1810 zu Bayern gekommenen fränkischen Gebieten. Der letzte Lehenbrief, den König Ludwig I. von Bayern für die Dörfer Neudes und Holzmühl ausfertigte, datiert in das Jahr 1830.
Zugleich aber waren die Wunsiedler auch Lehensherrn über ihre Stadtdörfer. Die dort ansässigen Bauern mussten im Falle des Besitzwechsels ihrer Anwesen den 10. Teil des geschätzten Wertes derselben als Lehengeld an die Wunsiedler Stadtkasse abführen und lieferten dem Wunsiedler Stadtkämmerer alljährlich eine ganze Reihe von Abgaben. Die darüber geführten Protokolle und Register reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück und dienen dem Referenten als reich sprudelnde Quellen zur Ortsgeschichte. Mit der Nieder- und Hochgerichtsbarkeit waren die Einwohner der Stadtdörfer und damit auch die Holzmühler und Neudeser der hohenzollerischen Landesherrschaft und deren Beamten unterworfen. Polizeigerichtsbarkeit und die Freiwillige Gerichtsbarkeit lagen jedoch in der Obhut von Bürgermeister und Rat zu Wunsiedel. Als Mittelsmann zwischen den Wunsiedler Stadtoberen und den Untertanen in den Stadtdörfern fungierten die von der Obrigkeit eingesetzten Dorfrichter. Diese verkündeten die aus Wunsiedel ergehenden Anordnungen, überwachten deren Einhaltung, wurden aber auch von der Obrigkeit als Schiedsleute bei Streitigkeiten zwischen der Dorfbevölkerung herangezogen. In den acht Protokollbüchern der Stadtdorfschaften aus der Zeit von 1716 bis 1796 hören wir von Wirtshausraufereien, Beleidigungsklagen, Wässerungs-, Wege- und Hutstreitigkeiten. Es geht darin auch um Zehntabgaben, Bettlerunwesen oder den Schutz vor Seuchen von Mensch und Vieh. Aber auch alles, wofür heute der Notar zuständig ist, wurde durch Bürgermeister und Rat zu Wunsiedel beurkundet. In den Jahren von 1641 bis 1796 füllte der Wunsiedler Stadtschreiber 36 Bände mit Kauf- und Tauschverträgen, Heiratsbriefen, Testamenten und ähnlichen Dokumenten. Dazu kommen noch 21 Bände mit Nachlassinventaren, Erbteilungen und Vormundschaftsrechnungen aus den Jahren 1644 bis 1779.
Neudes im Dezember 2010
Holzmühl im Februar 2011
Mit der Abdankung des Markgrafen Alexander im Jahr 1791 wurde unsere Heimat preußisch. 1810 erfolgte der Übergang der vormals preußischen Provinz Bayreuth an das junge Königreich Bayern. Der allgewaltige Minister Montgelas bemühte sich auch um die Vereinheitlichung des bislang unübersichtlichen Steuersystems. Die Grundherrlichen Abgaben, also beispielsweise die Geld- und Naturalleistungen der Neudeser und Holzmühler an die Stadt Wunsiedel, blieben unangetastet. An die Stelle der bisher an die Landesherrschaft zu reichenden Abgaben traten jedoch gemäß des Steuergesetzes von 1808 die Grund- oder Rustikalsteuer von allen unbebauten Grundstücken mit Ausnahme der Straßen und öffentlichen Plätze, die Haussteuer von allen Wohngebäuden, die Dominikalsteuer von allen grundherrlichen Bezügen, Zehnten, Grund- und Bodenzinsen, sowie die Gewerbesteuer. Um die zur Erhebung dieser Steuern notwendigen Grundlagen zu schaffen, wurden Steuerkommissionen im ganzen Land umhergeschickt, die durch Befragung der Grundeigentümer deren Besitzstand und die Belastung desselben zu erheben hatten. Überprüft wurden diese Angaben durch Heranzíehung der Erwerbstitel der letzten 20 Jahre und amtlich bestellter Schätzleute. Diese im Zuge dieser "Fatierung" erstellten und von den Grundeigentümern unterzeichneten Besitzfassionen bildeten das Fundament des bayerischen Steuerprovisoriums. Diese in unserer Gegend 1811 durchgeführten Befragungen ermöglichten die Erstellung von Rustikal-, Häuser- und Gewerbekatastern, die in den folgenden Jahren durch chronologisch geführte Umschreibbücher aktuell gehalten wurden.
1808 wurde in Bayern auch die Katastervermessung eingeführt. Unsere Gegend war 1852 an der Reihe. Jedes Grundstück wurde vermessen, einem bestimmten Eigentümer zugewiesen und dessen Bonität festgestellt. Die Ergebnisse der Landesvermessung bildeten zusammen mit den Katastern des Grundsteuerprovisoriums die Grundlage des Grundsteuerdefinitivums. Dieses fand bei uns 1855 mit der Erstellung des sogenannten Urkatasters seinen Abschluß. Die in demselben festgelegten Hausnummern gelten in den Dörfern Neudes und Holzmühl bis heute.

Hofeigentümer in Neudes 1855:

No. 1 Johann Christoph Köppel
No. 2 Johann Gebhardt
No. 3 Andreas Müller
No. 4 Johann Michael Geier
No. 5 Johann Adam Kaiser
No. 6 Johann Christoph Heinrich
No. 7 Georg Christoph Dannhorn
No. 8 Johann Heinrich Schricker
No. 9 Johann Preiß
No. 10 Johann Troeger
No. 11 Das Hirtenhaus

Hofeigentümer in Holzmühl 1855:

No. 1 Johann Zeitler
No. 2 Andreas Purucker
No. 3 Wolfgang Christoph Fraas
No. 4 Johann Erhard Brunner
No. 5 Johann Georg Rausch
No. 6 Johann Georg Purucker
No. 7 Johann Jakob Purucker
No. 8 Johann Fürbringers Kinder
No. 8a Johann Adam Fürbringer
No. 9 Georg Michael Hupfauf
No. 10 Wolfgang Jakob Lippert
No. 11 Hirtenhaus

Anhand der im Staatsarchiv Bamberg liegenden bayerischen Katasterunterlagen und dem reichhaltigen Material im Stadtarchiv Wunsiedel ist dem Referenten inzwischen gelungen, die Besitzgeschichte der einzelnen Anwesen in Neudes und Holzmühl von 1855 zurück bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zu erforschen. Am Beispiel der Mühle in Holzmühl, deren Besitzer bereits bis zum Jahr 1523 lückenlos ermittelt werden konnten, präsentierte Stark das Ergebnis seiner bisherigen Arbeiten. Im Anschluss an den Vortrag gab es eine rege Diskussion über Abgaben, Steuern, Währungs- und Maßeinheiten in alter Zeit. Außerdem bestand Gelegenheit in die bisherigen Forschungsergebnisse Starks zu den einzelnen Höfen in Neudes und Holzmühl Einsicht zu nehmen.

H.St.


 

 

Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen