Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

Vom Kino in Marktleuthen

278. Versammlung am 14. Mai 2009:

Das Marktleuthener Kino ist durch Christian Zürner 1924 an der Bahnhofstraße erbaut und im Frühjahr des darauf folgenden Jahres eröffnet worden (Gewerbeanmeldung am 17. März 1925). Wie uns die Enkeltochter des Gründers, Frau Ruth Stockhammer berichtete, war das Kino in den ersten Jahren seines Bestehens ein Draufzahlgeschäft. Die Filmverleiher beanspruchten zunächst bis zu 45 % der Einnahmen, später bei Farbfilmen oder Filmen mit Überlängen sogar bis zu 60 % derselben. Dazu kam die gemeindliche Vergnügungssteuer von 15 %, die Gebühren für die GEMA (schon vor dem 2. Weltkrieg), die Nebenkosten (Heizung, Strom, Unterhalt der Geräte, regelmäßige Überprüfung der technischen Anlagen) und auch die Mitarbeiter (auch wenn vieles durch Familienangehörige erledigt wurde) mussten entlohnt werden. Der Beginn des Kinos lag noch in der Stummfilmzeit; die Filme wurden von einer Pianistin aus Hof begleitet, deren Appetit Frau Stockhammer noch im Gedächtnis war - hat sie doch oft 2 Stunden lang gegessen.
Pikant war auch die Nähe des Kinos zur katholischen Kirche. Doch nicht nur dort, sondern auch vom evangelischen Pfarrer wurde in einem Schaukasten regelmäßig auf nicht empfehlenswerte Filme hingewiesen. Wie Dieter Machon einwarf, waren es jedoch oft gerade diese Filme, die durch das "Verbot" das meiste Interesse auf sich zogen. Helmut Beck, der als Filmvorführer im Marktleuthener Kino gearbeitet hat, berichtete über die Technik. Es waren zwei Projektoren im Einsatz. Die Filme wurden auf mehreren Spulen (Akte) angeliefert. Auf alten Spielfilmen kann man auch heute noch im Fernsehn hin und wieder am Rand Zeichen sehen, sogenannte Überblendungs-Marken. Diese zeigten dem Vorführer an, wann er den zweiten Projektor starten musste um den Film ohne Unterbrechung vorführen zu können. Blieb der Film einmal stecken, so verbrannte der im Lichtgehäuse befindliche Teil des Filmes, der daraufhin geklebt werden musste. Die ganz alten Filme waren nitrobeschichtet und deshalb feuergefährlich. Da konnte es sein, dass eine ganze Filmspule in Rauch aufging. Deshalb waren die Vorführräume auch besonderen feuerpolizeilichen Auflagen unterworfen. So waren die Öffnungen durch die der Film auf die Leinwand im Saal projiziert wurden, mit Metallklappen versehen, die an dünnen Bindfäden befestigt waren. Brannte es im Vorführraum, schmorten diese Fäden durch und die Metallklappen fielen von selbst zu.
Doch nicht nur Filme gab es im Marktleuthener Kino. Auch Konzerte und andere Veranstaltungen fanden hier statt. So hatte eine Liliputaner-Gruppe hier öfters ihre Auftritte, Frau Stockhammer erinnerte sich an den Auftritt eines Hypnotiseurs und Erwin Purucker an Bally Prell als Schneizelreuther Schönheitskönigin.
Harald Stark berichtete, dass das Zürner'sche Kino nicht das erste in Marktleuthen gewesen sei. Der später als Werkstatt genutzte Anbau an der Tankstelle Werner (Auto-Meyer) in der Marktleuthener Humboldtstraße, war 1914 vom Glasschleifermeister Hans Schmidt als Kino errichtet worden. Einen entsprechenden Bauplan hat er im Stadtarchiv Marktleuthen entdeckt. Die Brüder Jakob und Salomon Müller betrieben zudem von 1921 bis 1931 ein Kino im Saal des Gasthofs zur Post (Kärner). Im letzt genannten Jahr wurde der Kinobetrieb dort behördlich untersagt, weil im Saal kein eigener Vorführraum vorhanden war. Seitdem ist in den Akten im Stadtarchiv nur noch vom Lichtspielhaus Zürner die Rede.
Bis 1956 wurde das Lichtspielhaus von Christian Zürner und seiner Familie betrieben, wobei Frau Stockhammer lange Zeit an der Kasse saß. Im genannten Jahr wurde Kino dann an Adam Schrauder verkauft, der es noch bis 1969 weiterführte. Die letzte Vorstellung hat am 15. Juni 1969 stattgefunden. Danach wurde das Gebäude noch eine zeitlang als Diskothek benutzt. In den 70ger Jahren ist bei dem inzwischen stark baufällig gewordenen Gebäude eines Winters infolge der Schneelast der Dachstuhl eingestürzt. Bald darauf wurde es abgebrochen.
Dieter Machon, der aus Marktleuthen stammt, entdeckte seine Liebe zum Film im Marktleuthener Kino. Schon als Zehnjähriger sammelte er mit Eifer jene Filmprogramme, die es damals für fast jeden Film für 10 Pfennige an der Kinokasse gab. Später arbeitete er im Marktredwitzer Kino Capitol als Vorführer und technischer Betreuer. Heute betreibt er das Film-Antiquariat & Archiv in Marktredwitz. Aus seinen umfangreichen Beständen historischer Filmplakate und Kinoprogramme hatte er uns einige Beispiele mitgebracht.

Harald Stark

 

 

 


 

Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen