Arbeitskreis für Heimatforschung Marktleuthen

Die Hussiten

in unserer Heimat, dem Sechsämterland im Fichtelgebirge
Wie Rohrsbach zu Marktleuthen kam

Ein Lichtbildervortrag von Helmut Hennig am 10. März 2016

Mit unserer Gegend im 15. Jahrhundert befasste sich der Lichtbildervortrag bei unserem Arbeitskreis für Heimatforschung im Café Schoberth in Marktleuthen. Schon im vorhergehenden Jahrhundert verbreitete der Philosoph und Kirchenreformer John Wyclif seine Kritik am Machtanspruch des Papstes, der katholischen Kirche und deren Praktiken.

Etwa ab dem Jahrhundertwechsel begeisterte sich der böhmische Theologe Jan Hus für seine Lehren und verurteilte den Reichtum der Kirche durch den Ablasshandel mit der Sünden-Vergebung gegen Geld, weshalb er am 6. Juli 1415 von einem kirchlichen Konzil in Konstanz als Häretiker zum Feuertod verurteilt wurde. Man übergab ihn der weltlichen Gewalt, die ihn noch am gleichen Tag zusammen mit seinen Schriften bei lebendigem Leib verbrannte.

Seine Anhänger, unter denen sich auch zahlreiche böhmische Adlige befanden, protestierten gegen die Hinrichtung und schlossen sich zu einem Bündnis zusammen. Nachdem der böhmische König Wenzel auf der Seite der katholischen Kirche und des Papstes blieb, verstärkten diese Hussiten ihre Proteste. Am 30. Juli 1419 stürmten sie das Prager Rathaus und warfen einige Ratsherrn aus dem Fenster, was als Erster Prager Fenstersturz in die Geschichte einging (nicht zu verwechseln mit dem wesentlich bekannteren Zweiten Prager Fenstersturz, der als Auslöser des späteren Dreißigjährigen Krieges gilt). Daraufhin eroberten in Prag in wochenlangen Unruhen Volksmassen die Kirchen und Klöster. Von der Ortschaft Tabor südlich von Prag brach eine besonders radikale Gruppierung der Hussiten zunächst Richtung Pilsen auf und verwüsteten und plünderten katholische kirchliche Einrichtungen. Einer ihrer Anführer war der bekannte Jan Žižka (Jan Ziska der Einäugige). Nachdem Papst Martin V. 1420 die sogenannte Kreuzzugsbulle verhängte, also zu innereuropäischen Kreuzzügen gegen die Hussiten aufrief, entwickelten sich aus dem Aufstand die Hussitenkriege, ein Religionskonflikt, in dem natürlich auch politische Machtinteressen eine große Rolle spielten.

Andreas Prokop In den Anfangsjahren beschränkten sich die kriegerischen Handlungen der böhmischen Hussiten auf Schlachten gegen die Kreuzzüge des Papstes, die vor allem von deutschen Heeren unterstützt wurden. Dabei zerstörten sie unter anderem auch Kirchen und Klöster in ganz Böhmen. Im Jahr 1430 jedoch zog eine riesige Streitmacht von Hussiten von Prag aus in einem großen Bogen durch Sachsen über Plauen in unsere Markgrafschaft. Dieses Heer soll angeblich aus 40 000 Mann Fußvolk, 3000 Reitern und 2500 Kriegswagen bestanden haben. Die Religion und ihren Konflikt missbrauchten sie letztlich für einem Raubzug. Nachdem Jan Žižka schon 1424 an der Pest gestorben war, hatten sie einen neuen Führer: Andreas Prokop, den man auch Prokop den Großen oder Prokop den Kahlen nennt.

Da unser Landesherr, Markgraf Friedrich I. von Brandenburg, in Kreuzzügen gegen die Hussiten als Reichshauptmann fungierte, hatte man diesen Vorstoß schon befürchtet. Schon im Januar erreichten sie Münchberg, hinterließen eine Spur der Verwüstung, machten riesige Beute und zerstörten vor allem Kirchen und Klöster, aus denen sie die Kirchenschätze raubten. Städte wie Hof, Münchberg und Bayreuth versuchten gar nicht erst, sich zu verteidigen, stärker befestigte Städte wie Kronach oder Hohenberg umgingen sie und in Kulmbach war ihnen die Eroberung der Plassenburg zu aufwändig. Auch unser Fichtelgebirge ließen sie zunächst links liegen.

Helmut Hennig ging auf die Gründe für die militärischen Erfolge der Hussiten und ihrer Führer ein: Obwohl die kaiserlichen und päpstlichen Heere gut gerüstet und ausgebildet waren, erlitten diese eine Niederlage nach der anderen. Gegen Mistgabeln, Dreschflegel, einfache Schusswaffen und Armbrüste in Wagenburgen unter charismatischen Führern und mit Chorälen als Schlachtgesang hatten die bezahlten berittenen Söldner mit ihrer mäßigen Motivation keine Chance. Die Aussicht auf Plünderung sorgte für zusätzlichen Ansporn. Auch mag es bei uns Unterstützer gegeben haben, denen die Macht der Päpste nicht passte. Der Geschichtsschreiber Matthias von Kemnat schrieb 1470 in einer Chronik, dass es im Fichtelgebirge viele "böhmische Ketzer" gegeben habe. Sogar der Abt des Klosters Waldsassen wurde als Hussitenfreund verdächtigt.
"Landwirtschaftlicher Kampfwagen" im Museum in Tabor in Tschechien
"Landwirtschaftlicher Kampfwagen" im Museum in Tabor in Tschechien

Erst auf ihrem Rückweg kamen Hussiten durchs innere Fichtelgebirge. Da sie schon reiche Beute gemacht und sich aufgeteilt hatten, vermieden sie dabei größere kriegerische Auseinandersetzungen. Meist gaben sie sich mit Tribut-Zahlungen zufrieden und zogen weiter. Vorher hatte man schon vielerorts gefährdete Dörfer evakuiert. In Marktleuthen baute man aus Angst vor den kriegerischen Horden das nahegelegene Dorf Rohrsbach mit 10 Höfen ab und verlagerte es in den Ort. Eine Eroberung der damals schon größeren Orte wie Wunsiedel mit seiner marmelsteinernen Stadtmauer war ihnen wohl zu aufwändig. In Arzberg erschoss der Frühmesser Johannes Preuß aus der Kirche heraus einen ihrer Anführer, worauf sie mit Spott abzogen und Marktleuthen versprach wahrscheinlich zu wenig Beute, so dass der Schaden bei dem Zug nach Osten nicht mehr so groß war.

In der Folge verstärkte man bei uns die Verteidigungsmaßnahmen, wofür man neben dem Zehnten 1427 eine Hussitensteuer einführte und den Bauern vorschrieb, ihre Wagen mit Brettern und Ketten zu verstärken, um sie im Verteidigungsfall als Hindernis und Deckung benutzen zu können. In Böhmen zeigte sich die katholische Kirche kompromissbereit und erlaubte in den "Prager Kompaktaten" die Evangelien in tschechischer und deutscher Sprache und den Laienkelch in der Kommunion. Die Hussiten spalteten sich auf und verloren damit an Schlagkraft.

Erst Jahrzehnte später griff Martin Luther auf die Reformationsbestrebungen zurück. Jan Hus soll auf dem Weg zum Scheiterhaufen gesagt haben: »Ihr könnt eine Gans töten, aber es wird ein Schwan nachkommen«. Sollte das eine prophetische Ahnung von Martin Luther gewesen sein?

Die Hussiten in unserer Heimat, dem Sechsämterland im Fichtelgebirge

Erwin Purucker
Rußbuttenträger an der Egerbrücke in Marktleuthen