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Das Ascher Ländchen
Ein Lichtbildervortrag von Helmut Hennig am 12. November 2015
Fast 40 Jahre lang war für uns hinter Selb die Welt zu Ende. Die Grenzöffnung
rückte die Gegend um Asch wieder näher, was für den Arbeitskreis für
Heimatforschung und den Referenten Helmut Hennig ein guter Grund war, etwas
ausführlicher in Bild und Ton über Asch und seine Umgebung in Gegenwart und
Vergangenheit zu berichten. Bilder aus alter Zeit stellte er dabei auch
aktuellen Fotos gegenüber.
Wie das restliche Böhmen gehörte auch das Ascher Ländchen über viele
Jahrhunderte zum Herrschaftsbereich der Österreichisch-Ungarischen
Donaumonarchie. Die Vögte von Weida und die Adelsfamilien von Neuberg und von
Zedtwitz sorgten jedoch für eine gewisse Unabhängigkeit vom Egerland. So konnte
die Gegend trotz der österreichischen Habsburger-Herrschaft im katholischen
Böhmen ihren protestantischen Glauben behalten.
Während sich Johann Wolfgang von Goethe noch über den erbärmlichen Zustand der
Straßen in Asch beschwerte, stieg die Stadt ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu
einer Hochburg der Textilindustrie auf und war bis ins 20. Jahrhundert eine
moderne Industriestadt, in der die Mehrheit der Bevölkerung deutsch war. Große
Bürgerhäuser und eindrucksvolle Villen stammen aus dieser Zeit. Der Niedergang
begann mit der Wirtschaftskrise 1929 und wurde fortgesetzt mit der
kommunistischen Herrschaft, welche alle östlichen Länder über Jahrzehnte
gezeichnet hat. Heute versucht Asch (tschechisch Aš) wieder an frühere Zeiten
anzuknüpfen. In einem Bilder-Spaziergang führte Hennig von den Grundmauern der
evangelischen Stadtkirche, die 1960 abbrannte, am Luther-Denkmal und dem schön
renovierten Rathaus vorbei hinunter zum Goethedenkmal und wieder hinauf auf den
Hainberg mit seinem Bismarckturm.
Für die frühe Entwicklung des Ascher Ländchens war von Alters her jedoch eine
andere Stadt bedeutsam: In Neuberg (Podhradí) saß das Adelsgeschlecht von
Neuberg auf einer umfangreichen Burganlage. Weithin sichtbar ist von ihr heute
noch der Bergfried über dem Tal des Baches Äsch (Ašský potok). Die Anlage wurde
schon im Dreißigjährigen Krieg stark beschädigt. Heute sind die Gebäude mehr
oder weniger Ruinen, verbunden durch einen Historischen Lehrpfad mit
zweisprachigen Info-Tafeln. Ein besonderes Prachtstück ist die schön renovierte
evangelische Kirche
Zum Guten Hirten.
Die Vorgängerin ihrer heutigen Orgel wurde von der Orgelbauerfamilie Purucker
aus Marktleuthen gebaut.
Die nächste Station der Bilderreise war Haslau (Hazlov). Hier kann man den
Kontrast erleben zwischen der alten Schlossruine mit einer renovierten
Burgkapelle aus der Zeit des vogtländischen Adelsgeschlechts der Haslauer und
dem großen und weithin bekannten modernen Golfplatz, der einem Deutschen aus
Stammbach gehört. Geht man ins 14. Jahrhundert zurück, findet man auch dort
eine Verbindung nach Marktleuthen: Der Ritter Konrad von Haslau hatte vom
Plauener Vogt Ländereien im Dorf "Leuken" zum Lehen. Diese vermachte er für
sein Seelenheil testamentarisch dem Kloster Waldsassen. Da er gewaltsam starb,
gab es einen Erbstreit, in dem seine Familie dem Kloster vorwarf, bei seinem
Tod nachgeholfen zu haben. Im Zuge einer Einigung überschrieben im Jahr 1314
die Haslauer die Güter zu Leuken dem Kloster Waldsassen. Das entsprechende
Schreiben ist heute die erste urkundliche Erwähnung Marktleuthens. Es liegt im
oberpfälzischen Staatsarchiv Amberg.
Fährt man von Asch Richtung Norden durch Thonbrunn (Studánka), erreicht man
eine weitere bedeutende Ortschaft im Ascher Zipfel: Roßbach (Hranice). Mit dem
Dorf Pilgramsreuth bei Rehau streitet es sich um den erstmaligen deutschen
Anbau von Kartoffeln Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Dorf findet sich eine
Martinskapelle, die einstmals zum Pfarrsprengel Regnitzlosau gehörte und im 19.
Jahrhundert wuchs hier wie in Asch eine bedeutende Textilindustrie.
Die Foto-Exkursion führte auch nach Wernersreuth (Verné?ov), wo man früher Zinn
abbaute, Niederreuth (Dolní Paseky) mit seinem Sauerbrunnen und Horní Paseky
(Oberreuth), das bekannt wurde, als eine Familie mit normaler Körpergröße
mehrere sehr kleine Nachfahren hervorbrachte, die als die
Oberreuther Zwerge
bekannt wurden. Ein Mädchen soll 70 cm groß gewesen sein und 90 cm lange Haare
gehabt haben. Oberreuth wurde bereits 1291 als Besitz der Familie Notthafft auf
Wildstein erstmals urkundlich erwähnt, 1968 übernahm die Rote Armee die Gegend
und ließ das Dorf räumen. Heute wohnen hier nur noch wenige Einwohner.
Weitere Ziele waren: Krugsreuth (Kopaniny) mit seiner halb restaurierten
Schlossruine, die über drei Jahrhunderte, von 1612 bis 1945, im Besitz der
Familie von Zedtwitz war. Dann wurde der letzte Besitzer enteignet, das Schloss
geplündert und dem Verfall preisgegeben. Gleich dahinter kommt Grün (Doubrava),
nicht zu verwechseln mit dem anderen Doubrava südlich von Eger, das früher
Taubrath hieß. Auch hier war ab 1600 ein Herrensitz der Familie von Zedtwitz,
zunächst als landwirtschaftliches Gut, das 1783 zum Zedtwitzschlößchen im
neugotischen Stil umgebaut wurde. Weiter westlich kommt man über Schönbach
(Krásná) und Mähring (Újezd) zur sogenannten Europabrücke Richtung Rehau. Im
Jahr 1917 schimpften die Rehauer, dass die „Österreicher“ im Wirtshaus, der
„Mähringer Schmie“ (von Schmiede), in der schlimmsten Hungerzeit einen Tanz
abhielten. Weitere Bilder zeigte Hennig aus Nassengrub (Mokriny), von der
Rommersreuther Schweiz und der Elsterquelle und aus Himmelreich (Nebesa) mit
seiner kleinen Kapelle aus dem Jahr 1800.
Erwin Purucker
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